Das Luzifer Evangelium
der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der Herr von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Dafür heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort verstreut hat in alle Länder.*
* 1. Buch Mose, Kap. 11, Vers 4–9
»So«, sagte Dr. Gordon, »lautet der alttestamentarische Mythos über den Turm zu Babel. Das Problem ist, dass der ursprüngliche Name Bāb-ilû nicht die akkadische Variante von Balbal ist, wie der Bibelschreiber glaubte. Bāb-ilû bedeutet auf akkadisch etwas ganz anderes als verwirren . Die tatsächliche Bedeutung hätte der Ausgangspunkt für eine noch viel spannendere biblische Geschichte werden können.«
»Was meinen Sie?«
» Bāb-ilû «, sagte sie, »bedeutet Pforte Gottes .«
Die Pforte zu Gottes Reich.
Dritter Teil
Die Söhne Gottes
Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den
Menschentöchtern eingingen und sie ihnen Kinder gebaren,
wurden daraus die Riesen auf Erden.
Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.
1. BUCH MOSE, KAP. 6, VERS 4
Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu
euch hinuntergekommen und hat großen Zorn …
OFFENBARUNG DES JOHANNES, KAP. 12, VERS 12
Titelblatt vorige Seite: Die fünf Mosebücher wurden voraussichtlich in einer Periode von fünfhundert Jahren von einer Reihe verschiedener Autoren verfasst. Nach der theologischen JEDP-Hypothese wird die Entstehung der Mosebücher dem Jahwisten (950 v. Chr.), dem Elohisten (800 v. Chr.), dem Deuteronomisten (620 v. Chr.) und der Priestergrundschrift (um 550 v. Chr.) zugeschrieben.
ROM, MAI 1970
Der Dämon ist weg.
Wo ist er?, frage ich.
Wer?, flüstert Lo-Lo.
Der Dämon.
Welcher Dämon?
Der hier war.
Hier sind nur du und ich.
Ich habe ihn gesehen.
Du träumst.
Ich war wach.
Du fantasierst.
Dann bist auch du eine Fantasie!
Nichts von dem, was du erlebst, ist wirklich.
Du willst mich nur trösten.
Du bist nicht gesund.
Mir fehlt nichts.
Du bist ausgetrocknet. Verwirrt. Armes kleines Mädchen.
Sie sagen, dass es dich auch nicht gibt, weißt du.
Wer sagt das?
Mama. Papa. Sie behaupten, du bist eine Fantasie.
Vielleicht haben sie ja recht, antwortet Lo-Lo.
Ich friere nicht, trotzdem drehe ich mich auf die Seite und ziehe die Knie an die Brust, schlinge beide Arme um die Beine.
Draußen, weit weg, hinter den dicken Steinwänden des Sarges, höre ich den Gesang der Mönche. Ich drücke mein Ohr an die Steinwand: In nomine Magna Dei ostri Satanas. Introibo ad altare Domini Inferi. Ave, Satanas!
*
Kurz bevor Großmutter gestorben ist, haben wir sie im Krankenhaus besucht. Mama hat gesagt, sie liegt im Koma. Dabei sah sie aus, als würde sie schlafen. Ihr Kopf sah auf dem großen Kissen so klein aus. Ihr Mund stand offen. Sie machte komische Geräusche. Als wollte sie uns etwas sagen. Als bekäme sie nur schlecht Luft. Ich nahm ihre Hand. Drückte sie. Ihre Hand rührte sich nicht. Wahrscheinlich hat sie gar nicht gemerkt, dass wir bei ihr waren.
*
Mein Kopf tut weh. Wenn ich die Augen aufmache, flimmert die Dunkelheit. Selbst wenn ich ausgestreckt auf dem Rücken liege, ist mir schwindelig. Ich rolle hin und her, hin und her, muss mich übergeben. LIEBER GOTT, GIB MIR WAS ZU TRINKEN! Mein Mund wird immer trockener. Die Zunge ist geschwollen.
Als sie den schweren Sargdeckel beiseiteschieben, explodiert die Welt in einem Blitz aus Licht. Ich muss die Augen zukneifen. Das Licht tut so weh.
Gierig schlürfe ich die frische Luft. Versuche, mich aufzurichten, aber mir ist so schwindelig.
Ist es vorbei? Kann ich jetzt gehen?
Ganz ruhig, Silvana, sagt der Mann mit der freundlichen Stimme.
Er hält mir ein Glas Wasser und einen Teller mit einem trockenen Keks und einer kleinen Tomate hin. Ich trinke das Wasser und bitte um mehr.
Später, sagt er.
Kann ich jetzt gehen?
Noch nicht, Silvana.
Ich versuche, mich über den Rand zu ziehen.
Bald, Silvana, bald.
Ich fange an zu weinen.
Ich will nicht länger hier sein!, schreie ich.
*
Sie drücken mich zurück in den Sarg, zurück in die Dunkelheit, und schieben den Steindeckel an seinen Platz.
I : Babylon–II
AL-HILLA, IRAK
23. – 27. AUGUST 2009
1
In einer gewaltigen Staubwolke hob der Apache von der
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