Das Luzifer Evangelium
haben sie einfach einen Turm gebaut, um selber hinaufzusteigen. Das erzürnte Gott. Er zerschmetterte den Turm und strafte die Menschen mit den verschiedenen Sprachen. Schwierige, unverständliche Sprachen.«
»Wie Deutsch.«
»Wie Sie aber wissen, hat alle Mythologie Wurzeln in einer vergessenen Wahrheit. Die hängenden Gärten von Babylon gab es sehr wohl – eines der sieben Weltwunder der Antike. Das, wonach wir suchen, ist aber nicht die biblische Version des Turms zu Babel. Gottes Fingerabdruck wird auf den Steinen der Ruine nicht zu finden sein. Wir suchen nach den Resten eines höchst wahrhaftigen und physisch greifbaren Bauwerks, das vor vielen tausend Jahren in Babylon errichtet worden ist.«
»Ein Turm, der sich bis in den Himmel erstreckte?«
»Diejenigen, die die Bibel geschrieben haben, mussten ihre Botschaften schon ein bisschen ausschmücken, um die Leute zu erreichen. Sie mussten übertreiben. Was das angeht, waren sie nicht die Einzigen. Im Laufe der Geschichte ist der Turm auf sehr unterschiedliche, sehr fantasievolle Weise beschrieben worden. Übertreibungen finden sich in jeder Religion und in jeder mythologischen Darstellung. So zum Beispiel die Höhe des Turms. Und dass er mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückt gewesen sein soll. Der griechische Historiker Herodot – der Vater der Historiografie – beschreibt einen Turm mit acht Etagen, der auf einem Fundament von zweihundert Quadratmetern errichtet worden sein soll. Die acht Etagen bestanden aus immer kleiner werdenden übereinanderstehenden Türmen. An der Außenseite wand sich eine spiralförmige Treppe oder ein Weg nach oben zu dem Altar auf der Spitze des Turmes. Doch, es gab in Babylon ein hohen, prachtvollen Turm, aber er wurde nicht von Gott zerstört. Vermutlich hat einfach der Zahn der Zeit an ihm genagt.«
»Wie alt wurde er?«
»Wir wissen nicht, wann der Turm zu Babel gebaut worden ist. Und auch nicht, wann er einstürzte. Aber es ist immer die Rede von den ältesten Zeiten. Wenn es der Turm zu Babel war, den Herodot beschrieb, kann es der Zikkurat von Etemenanki gewesen sein, ein Turm, der zu Ehren des Gottes Marduk errichtet worden ist.«
»Was beabsichtigte man mit diesem Turm?«
»Ausgehend von Tradition und Bauweise, nehmen wir an, dass der Turm zu Babel ein Zikkurat war, ein pyramidenartiger Tempelturm mit Terrassen und Treppen. Die Babylonier stellten sich vor, dass die Götter in diese Türme einzogen, um den Menschen nah zu sein. Die Aufgabe der Priester war es, für das Wohlbefinden der Götter zu sorgen. Nur sie hatten Zugang zum Innern des Fundamentes.«
»Und niemand weiß, wer diesen Turm erbauen ließ?«
»Da können wir wieder nur spekulieren. Auch wenn es nicht explizit in der Bibel steht, geht man davon aus, dass Nimrod der Bauherr dieses Turms war. Bereits im Jahre 94 erwähnte der jüdische Historiker Flavius Josefus in seinem Geschichtswerk Antiquitates Judaicae , dass Nimrod einen Turm erbauen ließ, der Gott provoziert hat. Laut Moses war Nimrod der Erste, der nach der Sintflut ein großes Reich gegründet hat. Sie wissen doch, wer Nimrod war?«
»Im Augenblick nicht.«
»Nimrod war der Urenkel von Noah.«
Als ich nicht reagierte, fügte er hinzu: »Noah! Der mit der Arche.«
»Ich weiß, wer Noah ist. Was aber nur meine Vermutung bestätigt, dass das alles bloße Mythologie ist.«
»Da irren Sie sich, Bjørn. In gar nicht so ferner Zeit werden Sie feststellen, wie sehr Sie sich irren. Außerdem suchen wir gar nicht nach dem eigentlichen Turm. Sondern nach dem, was sich darin befindet.«
Wieder spürte ich die Neugier in mir auflodern. Den Drang zu verstehen, zu wissen.
»Was soll dort sein?«
»Noch nicht, Bjørn.«
»Stufenweises Protokoll?«
»Stufenweises Protokoll.«
»Sie wollen also die Ruinen des Turms zu Babel mithilfe eines Computerprogramms finden, das vor mehreren tausend Jahren geschrieben worden ist …«
» Wir , Bjørn, wir werden die Ruinen des Turms zu Babel mithilfe eines Computerprogramms finden, das mehrere tausend Jahre alt ist. Und das«, fügte CC mit tiefem Seufzen hinzu, »ist nur der Anfang.«
XII : Gottes Pforte
REYKJAVIK – OXFORD
17. – 24. JUNI 2009
1
Am folgenden Tag, einem Mittwoch, flogen CC und ich nach Island. Mit uns in der Gulfstream waren zwei Leibwachen – Doug und Duncan von den Navy SEALs. Keiner von den beiden sprach ein Wort.
Thrainn holte uns am Flughafen ab. Doug und Duncan fuhren in dem Geleitwagen der amerikanischen
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