Das Luzifer Evangelium
alles?«
»Früher oder später«, brummte er amüsiert. »Stufenweises Protokoll.«
»Und Sie machen sich nicht über mich lustig, CC ?«
»Nein, Bjørn, ich versuche nicht, Sie zu täuschen. Wo ist das Manuskript?«
»Moment, Moment. Ich muss das erst für mich klarstellen. Wenn ich Ihnen das Manuskript überlasse, werde ich in das Luzifer-Projekt aufgenommen?«
»Korrekt.«
»Und werde an der archäologischen Ausgrabung beteiligt?«
»Korrekt.«
»Und Sie werden keine Informationen mehr zurückhalten?«
»Mit Voranschreiten des Projektes werden Sie alles erfahren.«
Ich schluckte. Schwer. Mein Herz klopfte. Hart.
»Was sagen Sie?«, drängelte er. »Haben wir eine Vereinbarung?«
Ich dachte an Christian Keiser. An Taras Koroljov. An Marie-Élise Monnier. Daran, was ich diesen Menschen schuldig war.
Ich konnte weiter schweigen, weiter meinen kleinen, privaten Krieg führen, um die Handschrift zu schützen. Bjørn, der unermüdliche Ritter.
Oder ich konnte beginnen, Menschen zu vertrauen.
Und weiterkommen.
Vielleicht solltest du bald damit anfangen, den Menschen um dich herum zu vertrauen, Bjørn Beltø.
Ich hatte die Wahl, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Ich konnte mich freiwillig und mit frischem Enthusiasmus der Menschheit anschließen.
»Bjørn?«
Ich begegnete seinem Blick und holte tief Luft, bevor ich antwortete: »Das Manuskript ist auf Island.«
7
Das Eingeständnis löste ein Gefühl der Erleichterung in mir aus, der Unabwendbarkeit und der Neugier auf all das, was nun vor mir lag. Ich dachte, ich würde es bereuen. Sofort. Aber nein. Ich hatte das Gefühl, das Richtige getan zu haben.
CC s ehrliche Überraschung zeigte mir, dass Island nicht auf seinem Plan gestanden hatte. Gleichzeitig sprachen auch Erleichterung, Freude und Befriedigung aus seinem Gesicht.
»Island?«, wiederholte er.
»In Reykjavik. Es ist sicher verwahrt.«
»Wie sicher?«
»In einem brandsicheren Gewölbe.«
Ich sah, wie es in seinem Kopf arbeitete. »Natürlich«, platzte es dann aus ihm heraus. »Im Árni-Magnússon-Institut?«
»Es sind nur wenige Forscher involviert. Menschen, denen ich voll und ganz vertraue.«
»Wann holen wir es, Bjørn?«
»Wann immer Sie wollen.«
»Ich werde die Piloten bitten, die Maschine für morgen früh klarzumachen.«
8
»So«, sagte ich gespannt und spürte, dass das Blut bereits schneller durch meine Adern pulsierte, »jetzt sind Sie an der Reihe. Wie lautet das Geheimnis?«
CC zögerte, genau wie ich, als steckte die Wahrheit auch bei ihm im tiefsten Inneren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, ein Geheimnis preiszugeben, das man lange bewahrt hat.
»Das Geheimnis«, sagte er, »ist umfassend und komplex.«
»Stufenweises Protokoll …«
»Lassen Sie uns mit der ersten Entdeckung anfangen. Der Grundvoraussetzung, um überhaupt weiterzukommen.«
Er zog einen Papierausdruck einer Seite von Luzifers Evangelium aus seiner Innentasche.
»Sehen Sie sich die Zeichen in der rechten Spalte an, die scheinbar unleserlichen Symbole.«
»Scheinbar unleserlich?«
»Früher war niemand in der Lage, diesen Text zu deuten. Erst im letzten Jahrhundert erreichte unsere Zivilisation ein technisches Niveau, das es uns ermöglichte zu ergründen, was wir vor uns hatten.«
»Wie das?«
»Ich weiß, dass das unglaubwürdig klingt. Aber die Zeichen auf der rechten Seite des Manuskripts können am besten als Quellcode eines primitiven Computerprogramms beschrieben werden.«
»In einem Manuskript, das mehrere tausend Jahre alt ist?«
»Das primitive Programm gibt ganz präzise die Punkte eines Koordinatensystems an. Aber ohne die Zahlenwerte aller drei Manuskriptteile können wir mit der Suche nicht beginnen.«
»Mit der Suche nach was?«
Er zögerte mit der Antwort. Vermutlich erkannte er selbst, wie absurd das alles klang: »Bjørn. Wir suchen nach den Ruinen des Turms zu Babel.«
»Das biblische Bauwerk, das Gott zerstört hat?«
»Moses hatte einen Hang zu Übertreibungen. Der Turm ist ganz von allein eingestürzt.«
»Ich dachte immer, der Turm zu Babel wäre reine Mythologie.«
»Nicht, wenn man der Bibel glaubt.«
»Glaubt man der Bibel, ist die Erde sechstausend Jahre alt.«
»Wie so vieles andere in der Bibel ist der Turm zu Babel ein Symbol, das für viel mehr steht als einfach nur für einen Turm. In der Bibel symbolisiert der Turm zu Babel das Streben der Menschen nach dem Himmelreich. Als ihnen der Zugang bei der Erlösung verwehrt wurde,
Weitere Kostenlose Bücher