Das Luzifer Evangelium
Syrien. Potheinos bezeichnet ihn als »Bruder«. Wir wissen nicht, welchem Bischof er gedient hat, wann er geboren wurde oder gestorben ist. Potheinos schreibt:
Jacob war sein Name; ein ehrlicher und gewissenhafter Diener seines Bischofs.
Der Mönch Jacob wollte über Byzanz und Athen nach Alexandria reisen. Sein Ende ist unbekannt.
5 – Zusatz 17. Mai 2009:
Der Rat hat Information über einen Handschriftenfund in Kiew erhalten, der Licht auf das Schicksal des Mönches Jacob werfen könnte. Sollte sich herausstellen, dass es sich bei dem Text, der sich momentan im Besitz des norwegischen Archäologen Bjørn Beltø befindet, um den dritten Teil von Luzifers Evangelium handelt, leiten wir daraus folgende Hypothese ab:
Der Mönch Jacob muss die Handschrift in oder in der Nähe von Konstantinopel verloren haben. Vielleicht wurde er von Soldaten aufgehalten, die unter Kaiser Konstantin ihren Dienst taten, oder von Wegelagerern überfallen. Die Handschrift könnte aber auch den Weg in die Bibliothek der Regenten des oströmischen, später byzantinischen Reiches, gefunden haben.
Nach der Schlacht von Stiklestad 1030 floh der spätere norwegische Wikingerkönig Harald Hardråde* nach Gardarike** und später nach Miklagard*** Dort stand er in Diensten des Kaisers von Byzanz.
Der Kaiser hatte eine eigene Abteilung normannischer Söldner****. Harald Hardråde stand sieben Jahre am Warägerhof in Diensten und wurde zum Oberbefehlshaber der Abteilung ernannt. Als er schließlich Byzanz verließ, war er unermesslich reich. Sein Vermögen stammte nicht allein von den Plünderungszügen nach Afrika unter seiner Führung, auch im Kaiserpalast***** hatte er sich große Teile seines Vermögens angeeignet. Wir vermuten daher, dass er – bewusst oder lieber noch unbewusst – den dritten Teil von Luzifers Evangelium mit nach Norwegen gebracht hat. Harald war ein enger Freund des Großfürsten Jaroslav****** von Kiew und heiratete dessen Tochter******* Eine Möglichkeit wäre, dass er die Handschrift in Kiew gelassen hat, weil es dort mehr Schriftgelehrte als in seiner Heimat Norwegen gab. Diese Hypothese wird durch die Tatsache bestärkt, dass Harald Hardråde künftig die Triquetra als sein Zeichen benutzte. Die Triquetra ist ein Symbol, das auch in der Handschrift vorkommt.
Wenn unsere Hypothesen stimmen, befindet sich die Version in der Obhut des norwegischen Archäologen Bjørn Beltø. Es wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, dem Rat den Zugang zu dieser Version zu sichern.
* König Harald Hardråde (Harald der Harte, 1015–1066, König von Norwegen 1046–1066, als er in der Schlacht bei Stamford Bridge fiel) war der Halbbruder des norwegischen Christianisierungskönigs Olav »der Heilige« Haraldsson (995–1030).
** Die altnordische Bezeichnung »Gardarike« umfasst das Gebiet um die russische Stadt Novgorod und die ukrainische Stadt Kiew.
*** Konstantinopel / Istanbul
**** Væringjar. Diese Praxis war so verbreitet, dass die Söldner in ihren Heimatländern einen eigenen Namen bekamen: Waräger.
***** Unter Berufung auf byzantinischen Brauch konnten die Gardisten sich mit den Reichtümern des Palastes versorgen, wenn ein Kaiser starb. Im Laufe von Haralds Dienstzeit starben nicht weniger als drei Kaiser.
****** Jaroslav I. (978–1054) – mit dem Beinamen »der Weise« – regierte das Kiew-Reich in den Jahren 1019–1054 als Großfürst.
******* Elisabeth von Kiew (geb. zw. 1021 und 1023), später Königin Ellisiv, verheiratet mit Harald Hardråde von 1043–1066.
III : Archivum Secretum
ROM
12. – 14. JUNI 2009
1
Der Lesesaal des Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum , dem geheimen Archiv des Vatikan, sah ein bisschen aus wie eine Kirche, die viel lieber eine Bibliothek gewesen wäre. Von der Kelleretage bis hinauf in den zweiten Stock des gewölbeartigen Saales ragten Regale auf. In der Mitte saßen die Forscher hinter Stapeln von Dokumenten und alten Büchern mit gerissenen und aufgesprungenen Buchrücken, übernächtigt, der Zeit entrückt, verloren in vergessenen Mysterien. Das Vatikanarchiv beinhaltete sämtliche Dokumente, Pergamente, Briefe und Bücher, die die katholische Kirche über beinahe zweitausend Jahre zusammengetragen hatte.
Das Gespräch mit CC und Aldo Lombardi, der Bericht über den Codex Hispania und das seltsame Schicksal der drei Teile, aus denen Luzifers Evangelium bestehen sollte, hatten meine Neugier geweckt. CC und Aldo Lombardi hatten sich zurückgezogen, nachdem sie mir die
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