Das Luzifer Evangelium
benannt wurde, ist die Tatsache, dass er immer schon davon geträumt hatte, mal einen Sohn mit Namen Marcus Vanderleyden the fucking III. zu haben. Wie ein König oder so. Sie hatten gehofft, ich würde die Bank übernehmen, doch dann habe ich den ganzen verfluchten, vornehmen Stammbaum von seinen ach so feinen Wurzeln bis zu seiner aristokratischen Krone erschüttert und internationale Politik studiert. Jetzt arbeite ich in der staatlichen Verwaltung. Der Schock sitzt ihnen noch immer in den Knochen. So, jetzt kennen Sie kurz und knapp schon meine ganze Lebensgeschichte.«
»Was machen Sie hier?«, fragte ich.
»Hier? Hier im Gefängnis oder in Rom?«
»Mark gehört zu meinem Stab«, sagte CC . »Er …«
CC wurde durch einen Ruf unterbrochen. »Mr. Collins?« Der Wachhabende rief CC in die Zelle des Primus Pilus.
»Nun, was machen Sie hier im Gefängnis?«
»Gute Frage. Verdammt gute Frage. Was tue ich hier eigentlich?« Er blieb stehen und dachte nach, als hätte ich mit dieser Frage ein existentielles Mysterium angesprochen. Dann schien er sich wieder zu fangen. »Kommen Sie, ich muss Ihnen etwas zeigen.«
Er zog mich hinter sich her in die erste Zelle.
Der Mönch mit der großen Nase lag wie friedlich schlafend in einer Lache aus getrocknetem Blut. Nackt. Blutverschmiert. Blass. Er wirkte künstlich. Als wäre sein Körper durch den einer Puppe ersetzt worden.
All das Blut an den Zellenwänden und die brutalen Eindrücke überwältigten mich derart, dass ich das Wort an der Wand erst bemerkte, als ich Marks Blick folgte.
Jemand hatte mit Blut eine Triquetra an die Wand gemalt und dann mit großen Buchstaben etwas geschrieben: SFÂNT
Furcht und Ekel durchrieselten mich.
Wer hatte dieses Wort geschrieben? Der Mönch vor seinem Tod? Oder der Mörder?
»Solche Worte stehen in allen Zellen«, sagte Mark.
»Was für Worte?«
»Ich weiß es nicht. Unterschiedliche.«
»Und was bedeuten sie?«
»Wir haben noch keinen Überblick. Wir müssen sie übersetzen lassen. Vermutlich ist es Rumänisch. Die Mönche haben mit ihrem eigenen Blut eine Botschaft verfasst, bevor sie gestorben sind.«
»Warum?«
»Für die Drăculsângeer ist alles, was mit Blut geschrieben wird, eine sakrale Botschaft. Blut ist heilig. Indem sie mit dem Blut mehrerer sterbender Menschen eine Botschaft verfassen, erhalten ihre Gebete mehr Kraft. Wie das gemeinsame Gebet einer Gemeinde angeblich auch mehr Gewicht vor Gott hat. Kommen Sie!«
In der nächsten Zelle lag ein Mönch mit dem Gesicht zur Tür, als wollte er um nichts in der Welt die Reaktionen derjenigen verpassen, die den Raum betraten. Sein Gesicht war in einer aberwitzigen Grimasse erstarrt, die Augen weit aufgerissen, die Lippen gefletscht, so dass die Zähne zu sehen waren. An die Wand hatte er geschrieben: SÂNGE
Von den Buchstaben und dem Zeichen war das Blut in dunkelroten Streifen nach unten geflossen.
»Ziemlich makaber, was?«, murmelte Mark.
»Erst sfânt und dann sânge . Ihr Kloster heißt doch Sfânt sânge.«
»Stimmt. Ich glaube, das bedeutet so viel wie Heiliges Blut.«
Nur die Zelle des Primus Pilus war gesperrt, während die Ermittler arbeiteten. Mark und ich gingen von einer zur anderen und notierten uns die unterschiedlichen Worte. Schließlich hatten wir folgende Liste zusammengetragen – wobei jedes Wort von einer Triquetra gefolgt wurde: SFÂNT SÂNGE MAESTRU SATANA
DORMI CADAVRU PIRAMIDĂ TREZI
HÂRGA-MË-GÏDDÔ-DÔM
»Was sagen Ihnen diese Worte?«, fragte Mark.
»Ich verstehe nicht viel mehr als Heiliges Blut . Vermutlich Satana für Satan. Und Hârga-më-gïddô-dôm könnte so etwas wie Armageddon heißen.«
Warum gerade diese Worte – das sind doch sinnlose Phrasen?, dachte ich. Warum haben sie nicht geschrieben, wer sie getötet hat? Der Gedanke machte plötzlich einer unglaublichen Erkenntnis Platz. Angewidert ging mir auf, was geschehen war, und ich blickte zu Mark.
»Sie verstehen vermutlich auch, was passiert ist?«
»Verstehen Sie es?«
»Ich glaube ja.«
»Wir beide sollten miteinander reden. Können Sie mich in ein paar Stunden in der Botschaft treffen?«
»In der Botschaft.«
»Ja, da arbeite ich.«
»Sie sind Diplomat?«
»Ich sage Ihnen lieber gleich die Wahrheit: Ich arbeite bei der CIA .«
4
»Bjørn …«
Wenn es überhaupt möglich ist, einen Ruf als zögerlich zu bezeichnen, dann war das, was ich jetzt hörte, ein zögerlicher Ruf. CC stand vor der Zelle des Primus Pilus. Seine Stimme klang seltsam. Als
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