Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
hat. Ist ’ne prima Disco, ganz solide. Da kannste nicht mal Koks kriegen.«
»Und weshalb sollst du nicht hingehen? Heute ist doch Sonnabend, also kannst du morgen ausschlafen.«
»Deinetwegen.«
»Das nun ganz bestimmt nicht. In Zukunft werden wir uns ja häufiger sehen, so dass ich auf die vollzählige Versammlung der Sippe am Abendbrottisch gut verzichten kann.«
»Darum geht’s doch gar nicht, das wäre ja noch zu verkraften. Aber hinterher will Vater dir die Urlaubsdias zeigen, und weil er mit dem Projektor nicht klarkommt, muss ich das machen.«
Es war nicht nur die Aussicht auf mindestens 300 Dias nebst belehrenden Texten, die Florian nach einem Ausweg suchen ließ, sondern in erster Linie der Wunsch, bei seinem Neffen nicht gleich in Ungnade zu fallen.
»Nachher werde ich beiläufig erwähnen, dass ich meine Brille vergessen habe. Auf diese Weise erspare ich mir sogar noch die sonst unerlässliche Lektüre von Fabians Referaten. Ohne Brille keine Dias – ist doch logisch, nicht wahr? Also hau schon ab!«
Rüdiger strahlte. »Du bist ein dufter Typ, Florian. Ich freue mich riesig, dass du die Aufsicht über den Kindergarten hier übernommen hast. Vater wollte uns doch tatsächlich erst Tante Gertrud aufhalsen, diesem alten Fossil aus Kaiser Wilhelms Zeiten. Die ist doch vor lauter Kalk schon tot, es hat ihr bloß noch keiner gesagt! Zum Glück hat sie abgeschrieben, weil sie zurzeit in Hindelang weilt und danach die Thermen von Ischia aufsuchen will.« Täuschend ähnlich ahmte er die gezierten Tonfall seiner Großtante nach. »Hoffentlich ersäuft sie!«, wünschte er mitleidlos.
»Da sie euch erspart geblieben ist, kann sie doch ruhig noch ein bisschen weiterleben«, lachte Florian.
»Sei nicht so human«, warnte sein Neffe, »bisher ist sie nämlich jeden Sommer hier aufgekreuzt.« Mit einem Satz sprang er die letzten vier Stufen der Treppe hinunter und verschwand durch die Haustür. Krachend flog sie ins Schloß.
»Wer hat schon wieder diesen infernalischen Lärm gemacht?« Am oberen Treppenabsatz war eine große, schlanke Frau erschienen, die aschblonden Haare zu einem lockeren Knoten geschlungen, mit fragend hochgezogenen Augenbrauen und herabhängenden Mundwinkeln. Das hellgrüne Jackenkleid stammte von Cerruti, die soliden Treter mit flachem Absatz von Salamander.
Florian machte eine artige Verbeugung. »Deine Frage ist unlogisch, liebe Gisela. Wer auch immer die Tür zugeworfen hat, kann dir nicht mehr antworten, weil er längst weg ist.«
Die Mundwinkel gingen etwas nach oben und täuschten ein leichtes Lächeln vor. Gisela wartete, bis Florian die restlichen Stufen hinaufgelaufen war, und reichte ihm die Hand. »Guten Tag, Florian, ich habe gar nicht gewusst, dass du schon da bist.«
»Dein Mann war freundlicher. Er sagte nämlich etwas von ›erst jetzt?‹«
»Sein Gefühl für Pünktlichkeit ist nicht besonders gut ausgeprägt. Genau genommen lebt er in seiner eigenen Zeitzone.« Sie besann sich auf ihre Gastgeberpflichten. »Hast du schon gegessen?«
»Nein, aber Marthchen kümmert sich bereits darum.«
»Dann gehst du am besten gleich ins Esszimmer. Fabian wird dir sicher Gesellschaft leisten. Mich musst du leider noch eine Weile entschuldigen.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Ich esse in der Küche. In eurem barocken Speisesaal komme ich mir immer vor wie auf Schloß Neuschwanstein. Bloß die Prozession der livrierten Diener fehlt noch.«
»Wie du willst«, sagte Gisela spitz. »Chacun à son goût. Du kennst es ja wohl nicht anders.«
»Stimmt! Ich muss mich auch erst wieder an Messer und Gabel gewöhnen.« Er drehte sich um, stiefelte die Treppe hinunter und verschwand in Richtung Küche. Hinter ihm schlug eine Tür zu.
Die Suppenterrine dampfte einladend, als er sich an dem gemütlichen runden Tisch niederließ.
»Bier oder Sprudel?«, fragte Marthchen.
»Welche Frage! Heute muss ich ja nicht mehr Auto fahren. Außerdem hat mich die kurze Begegnung mit meiner verehrten Schwägerin davon überzeugt, dass ich den heutigen Abend nur in benebeltem Zustand durchhalten kann. Also fange ich am besten gleich damit an.«
Während er genießerisch seine Erbsensuppe löffelte, ließ er sich von Martha die Familieninterna der letzten Monate erzählen – selbstverständlich nur solche, die nicht an die große Glocke gehängt werden sollten und in Fabians gelegentlichen Telefongesprächen auch nie erwähnt wurden. So benutzte das Ehepaar Bender seit geraumer Zeit getrennte
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