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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hatte, studierte Fabian bereits im dritten Semester Archäologie, und genau an dem Tag, an dem Florian durchs Abitur gerasselt war, hatte Herr Dr. Fabian Bender den Professorentitel erhalten. Wenig später hatte er seine frühere Studienkollegin Gisela geheiratet und in regelmäßigen Abständen vier Kinder in die Welt gesetzt, die abwechselnd von Kindermädchen, Erziehern, Tanten, Internatsleitern und in den Ferien auch mal von den Eltern aufgezogen worden waren. Fabian war mit Leib und Seele Wissenschaftler, seine Frau ebenfalls und bereits mit 26 Jahren so emanzipiert, dass sie sich ein respektables Magengeschwür eingehandelt hatte und nie wieder losgeworden war. Öffentliche Anerkennung und sichtbarer Wohlstand waren in ihren Augen jedoch genug Entschädigung für salzlose Kost und Diätmarmelade.
    Zu ihrem Leidwesen waren die meisten ihrer Nachkommen aus der Art geschlagen. Nur Clemens, mit 23 Jahren der Älteste, hatte die nötige Strebsamkeit gezeigt, ein Einser-Abitur zu bauen, um Medizin studieren zu können, was er nun auch im vierten Semester tat. Urban dagegen war in der zehnten Klasse sitzen geblieben, ausgerechnet wegen Latein, einer Sprache, für die man doch wirklich kein besonderes Talent brauchte, und sein Abiturzeugnis war auch nicht besonders gut ausgefallen, ein Durchschnitt von nur 2,2. Tierarzt wollte er werden, hatte natürlich den Numerus clausus nicht geschafft und stand jetzt auf der Warteliste. In der Zwischenzeit leistete er seinen Wehrdienst ab, völlig verschwendete Zeit, aber das hatte sich nun mal nicht ändern lassen.
    Auch Rüdiger war so ein Problemkind. Jeglicher Ehrgeiz fehlte ihm, mit seinen fast 18 Jahren wusste er noch immer nicht, welchen Beruf er einmal ergreifen sollte, stattdessen spielte er Posaune in einer Band von Halbwüchsigen und vernachlässigte die Schule. Ob er unter diesen Voraussetzungen überhaupt sein Abitur schaffen würde, erschien seiner Mutter zweifelhaft.
    Und Melanie? Über sie ließ sich noch nicht viel sagen. Sie war flatterhaft, aber das waren wohl die meisten Mädchen in diesem Alter, trieb sich in Discos und auf Partys herum, schminkte sich und hatte sich allen Ernstes mit ihrem Nachhilfelehrer verlobt. Natürlich hatte man sofort einen anderen gesucht und zum Glück auch gefunden, einen pensionierten Oberstudienrat und zweifachen Großvater, aber dieser Wechsel schloss ja nicht aus, dass sich das Kind immer noch heimlich mit dem jungen Mathematikstudenten traf. Die Jugendlichen hatten heutzutage einfach zu viel Freiheit, und man konnte ja nicht dauernd hinter ihnen herlaufen. Schon gar nicht, wenn man berufstätig war.
    Doch das würde sich jetzt gottlob alles ändern. Wenn Gisela auch von ihrer Schwägerin nicht allzu viel hielt – zu naiv und der geistige Horizont nicht eben groß –, so musste sie immerhin zugeben, dass Ernestine recht gut mit Menschen umgehen konnte und bei allen vier Kindern beliebt war. Genau wie Florian. Der konnte sich sogar Respekt verschaffen, was ihr, der leiblichen Mutter, nur selten gelang. Man betrachtete sie zwar als Autorität, aber manchmal hatte sie das Gefühl, ihre Kinder tolerierten sie nur und behandelten sie mit der milden Nachsicht, die man im Allgemeinen harmlosen Spinnern entgegenbringt. Die bevorstehende längere Trennung würde für alle Teile sicher vorteilhaft sein, und Florian könnte seine so oft gerühmten, allerdings noch nie bewiesenen pädagogischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

    Der saß an der Autobahnausfahrt Wiesloch und studierte die Karte. Wie üblich hatte er sich am Frankfurter Kreuz verfranzt, und da er beim letzten Mal in Heidelberg herausgekommen und quer durch die Innenstadt nach Steinhausen gefahren war, musste er sich diesmal umorientieren. Schließlich faltete er die Karte zusammen und verstaute sie im Handschuhfach. Er würde nicht die von Fabian empfohlene Abkürzung nehmen, sondern über Walldorf fahren, das bedeutete zwar mindestens zehn Kilometer Umweg, aber die Straße war breiter und bestimmt auch besser ausgeschildert. Demnächst würde er sich ohnehin mit der näheren Umgebung vertraut machen müssen, also konnte er auch gleich damit anfangen. Er drehte das Radio lauter, pfiff die anspruchslose Melodie mit, die er heute schon zum dritten Mal hörte, und machte sich erneut auf den Weg.
    Nach wenigen Kilometern stand er vor einer Mülldeponie, wendete den Wagen, fuhr wieder in die entgegengesetzte Richtung, bog irgendwann links ab und entdeckte endlich ein

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