Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Schlafzimmer, während Melanie das ihre manchmal gar nicht benutzte, sondern auswärts schlief. Bei einer Freundin, wie Martha nachdrücklich betonte, und natürlich ohne Wissen der Eltern, was aber nicht weiter schwierig war, da es ein gemeinsames Abendessen selten und ein gemeinsames Frühstück schon längst nicht mehr gab. Überhaupt seien die Kinder wenig zu Hause, nur zu den Mahlzeiten und manchmal auch ein paar Minuten zwischendurch, aber das sei ja kein Wunder bei dieser unterkühlten Atmosphäre. Niemand habe Zeit für sie, und wenn sie, Martha, nicht wäre, gäbe es überhaupt keinen, bei dem sie ihre kleinen und großen Sorgen mal abladen könnten.
»Weißt du, Flori, ich bin ja bloß noch wegen der Kinder hier. Ich habe sie mit großgezogen und hänge an ihnen. Meine Schwester sagt schon lange, dass ich zu ihr ziehen soll. Seitdem sie Witwe ist, sitzt sie ganz allein in der schönen, großen Wohnung, kriegt eine gute Pension und so, aber ich weiß nicht, ob das auf die Dauer gutgehen würde mit uns beiden. Ein Weilchen werde ich es hier schon noch aushalten, wenigstens so lange, bis Rüdiger und Melanie mit der Schule fertig sind. Die brauchen mich noch.«
»Nicht nur die Kinder, Fabian auch. Der ist doch hilflos ohne dich. Oder willst du mir erzählen, dass sich Gisela um seine Socken kümmert?«
»Die weiß gar nicht, wo sie welche finden würde«, sagte Martha verächtlich. »Sie kontrolliert zwar gewissenhaft mein Haushaltsbuch, aber ob der Herr Professor neue Oberhemden braucht, interessiert sie nicht.«
Erstaunt sah Florian hoch. »Seit wann nennst du Fabian denn Professor?«
Verlegen wischte sie über den Tisch. »Das ist mir nur so herausgerutscht. Man hört es ja oft genug.«
Florian stand auf und nahm die alte Frau in seinen Arm. »Hier stimmt doch was nicht, Marthchen. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du einen Menschen ein halbes Jahrhundert lang duzt und plötzlich aus lauter Ehrfurcht Sie zu ihm sagst. Steckt Gisela dahinter?«
Sie druckste herum. »Nicht direkt. Sie hat nur mal angedeutet, dass es einen schlechten Eindruck macht, wenn das Personal zu vertraulich wird. Vor allem, wenn Besuch da ist.«
»Personal!«, schimpfte Florian. »Diese bornierte Gans! Seitdem ich denken kann, gehörst du zur Familie. Mit der Dame da oben werde ich nachher mal Tacheles reden! Was hat denn überhaupt Fabian dazu gesagt?«
»Ich glaube, der hat das noch gar nicht gemerkt.« Martha räumte den Tisch ab und holte aus dem Kühlschrank eine Schüssel Zitronenkrem. »Hier, Flori, iss! Denen da oben« – sie warf einen bezeichnenden Blick zur Decke – »war das zu kalorienreich. Da ist nämlich Sahne dran.«
Nachdem er auch noch zwei Portionen Pudding verdrückt hatte, schob er den Teller zur Seite, stand auf und gab Martha einen Kuss auf die Wange. »Hat prima geschmeckt, danke. Ich sehe schon, vier Wochen bei deiner Verpflegung, und ich gehe auf wie ein Hefekloß.«
»Macht nichts, du kannst es vertragen. Dein Tinchen ist ein lieber, netter Kerl, aber kochen kann sie wirklich nicht.«
»Weiß ich ja, deshalb hoffe ich auch, du wirst ihr ein bisschen was beibringen. Nötig wäre es.«
Er hatte die Tür schon geöffnet, als Martha ihn am Ärmel zurückhielt. »Sag dem Fabian bitte nichts. Mir ist es doch egal, ob ich nun du oder Professor zu ihm sage, und wenn die Frau Doktor erfährt, dass ich mich bei dir beklagt habe, redet sie tagelang kein Wort mit mir.«
»Das allein wäre schon ein Grund, ihr alles zu stecken«, grinste Florian, schüttelte aber sofort den Kopf, als er Marthas entsetztes Gesicht sah. »Keine Angst, ich halte den Mund, auch wenn es mir verdammt schwer fällt.«
Auf der Suche nach weiteren Mitgliedern dieser offenbar ständig irgendwohin flüchtenden Familie inspizierte Florian das obere Stockwerk. Nacheinander öffnete er die Türen, wobei er um Giselas Zimmer einen großen Bogen machte, entdeckte aber nur leere Räume, die in einem mehr oder weniger chaotischen Zustand verlassen worden waren. Nun ja, es war bekannt, dass Jugendliche keinen ausgeprägten Sinn für Ordnung haben, das pendelte sich in späteren Jahren schon irgendwie ein. Oder auch nicht. Bei Tinchen wartete er noch heute auf ein gewisses Maß an Ordnungsliebe. Erst neulich hatte er eine halbe Stunde lang seine dunkelblaue Krawatte gesucht und sie endlich – durch Erfahrung gewitzt – in der Küchenschublade zwischen Gurkenhobel und Holzlöffel gefunden.
»Julia hatte sie ihrer Puppe
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