Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
umgebunden, da habe ich sie ihr natürlich sofort weggenommen«, hatte sich Tinchen verteidigt, worauf Florian gebrummt hatte: »Demnächst finde ich meine Schuhe im Brotkasten.«
»Bestimmt nicht«, hatte seine Frau ganz ernsthaft versichert, »da gehen sie nämlich gar nicht rein.«
Nachdem er auch noch die beiden Bäder besichtigt und ihre komfortable Ausstattung mit dem spärlichen Mobiliar seiner eigenen Nasszelle verglichen hatte, machte sich Florian wieder auf den Rückweg. Irgendwo in diesem Haus musste es doch ein kommunikationsbereites Lebewesen geben. Urbans Papagei zählte er nicht dazu, obwohl ihn das Tier mit einem Schwall von Schimpfwörtern begrüßt hatte, und auf eine neuerliche Begegnung mit Gisela legte er im Augenblick noch keinen Wert. Schreibmaschinengeklapper tönte aus ihrem Zimmer, untermalt von Beethovens Fünfter. Und das am Samstagnachmittag!
Auf der Terrasse entdeckte er schließlich seinen Bruder. Fabian hatte den Stuhl mitten in die Sonnenstrahlen gerückt, die durch das zaghafte Grün der Birken fielen, sich selbst in eine Decke gewickelt und las. Auf dem Tisch neben ihm standen mehrere Leitzordner sowie ein Glas mit einem bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Whisky. Offensichtlich arbeitete er mal wieder.
»Wächst hier Löwenzahn?« Florian begutachtete den kurz geschnittenen Rasen, auf dem auch nicht ein einziges Gänseblümchen zu sehen war.
»Glaube ich nicht, das ließe der alte Biermann gar nicht zu.« Fabian schälte sich aus seiner Kamelhaarumhüllung und trat neben seinen Bruder. »Vor zwei Jahren ist das alles neu eingesät worden, und seitdem ist die Anlage unkrautfrei.«
»Schade. Herr Schmitt frisst nämlich am liebsten Löwenzahn.«
»Wer ist Herr Schmitt? Irgendeiner deiner Säulenheiligen mit einem Hang zur Naturkost?«
»Herr Schmitt ist ein Zwergkaninchen und gehört zur Familie. Wenigstens im weitesten Sinn«, stellte Florian richtig. »Und er kommt mit, wenn wir hier wirklich einziehen sollten. Genau wie Klausdieter, sofern du überhaupt noch weißt, wer das ist.«
»Doch, an diesen giftigen Handfeger erinnere ich mich noch recht gut. Er hatte das Konzept meiner Rede für den Archäologenkongress zu Konfetti verarbeitet. Zum Glück besaß ich noch einen Durchschlag.«
»Er ist eben nicht daran gewöhnt, dass Notizen auf dem Fußboden herumliegen. Bei uns findet er da höchstens unbezahlte Rechnungen, und um die ist es nicht schade«, verteidigte Florian seinen vierbeinigen Hausgenossen.
Nach einem vorsichtigen Blick über die Schulter sagte Fabian leise:
»Am besten verheimlichst du die kommende Invasion, du weißt doch, wie Gisela zu Haustieren steht. Der gehen ja schon Melanies Goldfische auf die Nerven.«
Florian empfand Mitleid. »Wie hältst du es bloß mit dieser grässlichen Emanze aus? Und das schon seit einem Vierteljahrhundert.«
»Weißt du, Flori, das ist nur die raue Schale. Tief im Innersten ist sie ein ganz anderer Mensch.«
»Dann solltest du sie mal wenden lassen«, empfahl sein Bruder, und mit einer Handbewegung zum noch unberührten Whiskyglas: »Hast du das Zeug auch irgendwo in einer Urform? Ich könnte jetzt einen vertragen, aber ohne Wasser.«
»Im Wohnzimmer findest du alles.«
»Danke. Und wo finde ich mal einen deiner Nachkommen? Der liebe Onkel möchte endlich seine Neffen begrüßen.«
»Frag Martha, die weiß noch am ehesten, wer sich wo herumtreibt.«
Kopfschüttelnd entfernte sich Florian. Merkwürdige Familie, in der keiner von anderem etwas zu wissen schien. Aber das würde sich jetzt ändern! Als Erziehungsberechtiger, und als solcher bezeichnete sich Florian ab sofort, hatte man nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, über jeden Schritt seiner Schutzbefohlenen informiert zu sein. Man musste sie notfalls überall erreichen können, und vor allem musste man wissen, welchen Umgang sie hatten.
Ihm fiel ein, dass er sich zunächst einmal äußerlich in jenen Kumpel verwandeln sollte, als der er seiner jungen Verwandtschaft gegenübertreten wollte. Deshalb hatte er auch seinen Jogginganzug mitgenommen, die nach seiner Meinung einzig richtige Wochenendfreizeitkleidung für Haus und Garten. Fabian bevorzugte zwar in allen Lebenslagen Oberhemd und Schlips, aber der zählte sowieso nicht, der war Wissenschaftler und bewegte sich auf einer anderen Ebene. Da ging es wohl nicht ohne Zweireiher.
Als er seine Reisetasche aus dem Wagen holen wollte, stolperte Florian über ein Paar Beine. Sie ragten unter einem
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