Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
reichlich baufälligen 2 CV hervor, den sein Besitzer unmittelbar hinter Florians Kadett geparkt hatte.
»Pass doch auf, du Trampel!«, klang es freundlich unter der Ente hervor.
»Selber eins! Schieb gefälligst deine Mühle ein Stück zurück, oder ist Rost nicht ansteckend?«
Mit einem Ruck tauchte die zu den Beinen gehörende Person auf. Sie steckte in einem ölverschmierten Overall, der unzweifelhaft aus den Beständen der Bundeswehr stammte und zwei Nummern zu groß war. »Entschuldige, Florian, aber ich dachte, es sei Melanie.« Urban rappelte sich zu seiner vollen Länge von einssechsundneunzig auf und grinste seinen Onkel an. »Ich hab’ dich schon überall gesucht! Prima, dass du da bist. Da können wir vor dem Abendessen noch einen Zug durch die Gemeinde machen. Lokalstudien betreiben. Du musst doch das kulturelle Angebot von Steinhausen kennen lernen. Ist eine typische Kleinstadt, da gehen abends bloß die Lichter aus.« Er wischte die Hände an einem alten Socken ab.
»Ich gehe schnell duschen, und dann zittern wir los, einverstanden?«
Den verblüfften Florian ließ er stehen. An sich hatte der gar nichts gegen ein schönes kühles Bier, nur war er sich nicht ganz sicher, ob er mit seinen psychologischen Studien ausgerechnet in einer Kneipe beginnen sollte.
Eine Viertelstunde später saßen Onkel und Neffe einträchtig in der Waldschenke, einem etwas außerhalb des Ortes gelegenen Lokal, das wohl hauptsächlich von Ausflüglern lebte und um diese Jahreszeit fast leer war. Urban erzählte. Von der Bundeswehr und von seiner Freundin Sandra, von Skiurlaub in Tirol, von seinem Auto, das er für nur sechshundert Euro erstanden hatte, und von Dänemark, wohin er im Sommer fahren wollte – nur von sich selbst erzählte er nichts. Florian witterte Tiefgründiges und schwieg. Nur nicht fragen, Vertrauen gewinnen und abwarten. Die professionellen Psychologen machten das ja auch nicht anders. Allerdings saßen die nicht in einer Kneipe, sondern im Hintergrund eines zweckmäßig eingerichteten Zimmers, dessen Hauptbestandteile eine Couch war, auf der jemand lag. Florian hatte das in einem Film über Sigmund Freud gesehen. Der hatte auch keine Tannenbäume auf einen Bierfilz gemalt, sondern Stichworte auf seinem Block notiert. Florian hatte keinen dabei.
Inzwischen hatte Urban wieder das Thema gewechselt und erging sich in Zukunftsprognosen. »Wenn die Regierung getürmt ist, können wir endlich mal so richtig feten. Wozu haben wir denn den Partykeller? Vater geht bloß runter, wenn bei ihm mal wieder eine Glühbirne durchgeknallt ist und er keine neue findet, dann schraubt er nämlich da unten eine raus, und Mutter versammelt alle vierzehn Tage ihre Märchentanten im Keller, damit die Herrschaften nicht aus Versehen ein paar Sandkörnchen auf den hellgrauen Velours treten. Nicht auszudenken, wenn im Wohnzimmer mal eine Tasse Kaffee umkippen würde.«
»Welche Märchentanten?«
»Ach, das ist so ein Emanzenklüngel, der die Welt verbessern will und bei den eigenen Männern damit anfängt. Die meisten haben allerdings gar keinen mehr, weil es niemand bei ihnen ausgehalten hat.«
»Verständlich«, sagte Florian und orderte neues Bier. »Eine Frau, die sich für intelligent hält, verlangt die Gleichberechtigung mit dem Mann. Eine Frau, die intelligent ist , tut das nicht.«
»Dann ist Mutters Damenriege geistig unterbemittelt, aber das habe ich schon vorher gewusst.«
Das plötzliche Mitteilungsbedürfnis seines Neffen nahm Florian zum Anlass, ein paar Erkundigungen einzuziehen, die ihm für die bevorstehende Aussprache mit seinem Bruder und vor allem mit seiner Schwägerin wichtig erschienen. Man kann schließlich ganz andere Forderungen stellen, wenn man weiß, was im Einzelnen auf einen zukommt. Gisela würde ohnehin nur das Haus, den Garten sowie die schöne Umgebung anführen und damit zum Ausdruck bringen, dass Florian und Tinchen quasi kostenlose Ferien hätten, die man nicht auch noch zusätzlich honorieren müsse. Da war es schon besser, man hatte passende Gegenargumente zur Hand.
»Sag mal, Urban, wie läuft der Laden bei euch so ab? Wer kauft ein, wer ist regelmäßig zum Essen da, wer putzt die Kronleuchter, wer kümmert sich um eure Parkanlage, ich habe nämlich überhaupt keine Ahnung von Ackerbau, wer …«
»Woher soll ich denn das wissen? Ich bin doch bloß zum Wochenende da, wenn ich nicht Wache schieben muss oder gerade im Bau sitze. Ist nämlich schon zwei Mal vorgekommen«,
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