Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
jüngere.«
Jedenfalls würden die kommenden Monate eine völlige Umstellung seines bisherigen Lebens bedeuten. Keine Sechstagewoche mehr in der Redaktion, stattdessen ein relativ beschauliches Dasein mit wenig Pflichten und viel Freizeit, intensive Hinwendung zu den Kindern, die eigenen natürlich eingeschlossen. Kontrolle über Haus, Garten und in erster Linie über die diversen Hilfskräfte, und nicht zuletzt regelmäßige Arbeit an seinem Buch. Das alles ohne finanzielle Sorgen, denn Fabian hatte ihm ein großzügiges Gehalt angeboten – mehr, als Florian zu hoffen gewagt hatte.
Überhaupt war die finanzielle Seite der ganzen Angelegenheit vorbildlich geregelt worden. Fabian hatte bei seiner Bank für seinen Bruder ein Konto eröffnet, auf das jeden Monat ein namhafter Betrag überwiesen werden sollte, mit dem die laufenden Haushaltskosten zu decken waren. Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben wurden ohnehin durch Bankeinzug bezahlt, und für unvorhersehbare Notfälle würde es noch einen Extrafonds geben, über den Florian allerdings nur mit Marthas Einverständnis verfügen konnte. Diese Einschränkung hatte er seinem Bruder ein bisschen übel genommen.
»Was rangiert denn bei dir unter Notfall? Lawine oder Hurrikan?«
»Handwerkerrechnungen erledigt die Bank«, hatte Fabian geantwortet. »Ich dachte eigentlich mehr an den plötzlichen Überfall irgendwelcher Verwandter. Gisela hat eine ganze Menge davon, die sporadisch bei uns auftauchen, meist in größerer Zahl. Wir haben sie natürlich immer hier im Haus beherbergen müssen, aber Einquartierung möchte ich dir nicht auch noch zumuten. Bring sie in der Linde unter, das ist ein sehr anständiges Gasthaus, allerdings ohne großen Komfort, und deshalb werden sich etwaige Besucher vermutlich weniger lange aufhalten als geplant.«
»Mach dir deshalb keine Sorgen«, hatte Florian geschmunzelt. »Tinchen ist eine hervorragende Gastgeberin. Sie beherrscht nämliche die Kunst, Besucher zum Bleiben zu veranlassen, ohne sie am Aufbrechen zu hindern.«
»Die wird sie auch brauchen«, hatte Fabian gemeint und sich wenig später zurückgezogen.
Als berufsbedingte Nachteule hatte Florian noch keine Lust verspürt, schlafen zu gehen, und war auf der Suche nach etwas Nahrhaftem in der Küche gelandet. Das Abendessen war zwar reichlich und auch sehr gut gewesen – Räucherlachs mit Sahnemeerrettich kannte er nur noch aus seinen Reportagen, als er noch selbst zu langweiligen Empfängen gehen musste und zum Dank für geduldiges Ausharren mit kleinen Appetithäppchen belohnt worden war –, aber es hatte natürlich im Esszimmer stattgefunden, und die erdrückende Pracht von Silberleuchtern, Bleikristall und vermutlich kostbarem, nach Florians Ansicht aber reichlich überladenem Porzellan war ihm auf den Magen geschlagen. Kein Wunder, dass sich von den Junioren nur Rüdiger eingefunden hatte. Drei Scheiben Brot hatte er unter den tadelnden Blicken seiner Mutter herunterschlungen und war sofort wieder aufgestanden. »Der Kinoabend fällt ja wohl aus«, hatte er mit einem Augenzwinkern zu Florian festgestellt, »denn mein bejahrter Onkel hat seine Brille vergessen, und ohne die läuft bei ihm nichts mehr.«
Fabian hatte ihm seine angeboten, aber Florian hatte entsetzt abgewehrt. »Die ist viel zu schwach.«
»Das ist sehr schade. Mir sind diesmal wirklich gute Aufnahmen geglückt. Besonders auf Mykonos …«
»Mir tut’s ja auch Leid, aber was nützen denn die schönsten Bilder, wenn ich keine Einzelheiten erkennen kann?« Es war Florian sogar gelungen, aufrichtiges Bedauern in seine Stimme zu legen.
»Dann kann ich ja wohl gehen«, hatte Rüdiger gemeint. »Es wird sicher später werden, also wünsche ich jetzt allseits gute Nacht.«
»Wohin gehst du?«
»Aber Mutter, in die Disco natürlich. Wir haben doch heute unseren ersten Auftritt.«
»Bei dem Krach dort wirst du noch schwerhörig werden! Kein Wunder, dass deine Leistungen in der Schule permanent nachlassen. Vermutlich verstehst du nur noch die Hälfte.«
»Das ist doch Blödsinn«, hatte ihr Sohn protestiert. »Irgend so ein Wissenschaftler hat gerade festgestellt, dass laute Beatmusik manchmal sogar gut gegen Schwerhörigkeit ist.«
»Möglich. Aber wenn ich an dein Posaunengetute denke, möchte ich behaupten, dass Schwerhörigkeit gut ist gegen Beatmusik«, hatte Fabian erwidert, womit das Thema vom Tisch gewesen und Posaunist Rüdiger entlassen worden war.
In der Küche hatte Florian nicht nur
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