Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
verbringt. Bekanntlich ist Arbeit an frischer Luft sehr gesund.«
»Aber nicht für Vater. Der ist so arriviert, dass er sich jemanden zum Rasenmähen nimmt und dann Golf spielen geht, weil er ja auch mal Bewegung braucht.«
»Du bist ganz schön sarkastisch, mein Junge«, bemerkte Florian, aber Urban zuckte nur mit den Schultern. »Jede Gesellschaft pflegt ihren eigenen Spleen. Unserer heißt Anpassung an die gleiche Kaste. Das Ganze ist eine soziale Kreisbewegung, bei der jeder sich nach dem anderen richtet. Ich weiß bloß nicht, an wem sich der erste orientiert.«
»Wie heißt denn eurer Gärtner?«
»Biermann. Mit Vornamen Paul. Ehemals Feldwebel bei der Wehrmacht. Davon schwärmt er heute noch. Ich gehe ihm schon immer aus dem Weg, weil wir uns sonst ständig in die Wolle kriegen. Nach seiner Ansicht ist die Bundeswehr ein verlotterter Haufen ohne Mumm in den Knochen, ohne Disziplin und ohne Härte. So eine Art Trachtenverein, der den bösen Feind bestenfalls so lange zum Lachen reizt, bis richtige Soldaten kommen. Worunter er die Amis versteht. Diese Erkenntnis verdankt er allerdings bloß den Kriegsfilmen Marke Hollywood. Lass dich nicht mit ihm ein, das ist einer von den Unverbesserlichen. Aber sein Handwerk versteht er. Warte mal ab, bis die Tulpen blühen. Die stehen in Doppelreihen, und nicht eine ragt aus dem Glied.«
Florian notierte also unter 3. Garten: Paul Biermann, Militarist.
»Sind das nun alle?«
»Was alle?«
»Na, alle Lohnempfänger, mit denen sich gelegentliche Tuchfühlung nicht vermeiden lassen wird. Oder habt ihr auch noch jemanden zum Schuheputzen?«
»Das macht Marthchen, weil’s sonst sowieso keiner macht. Wozu auch, die werden ja doch gleich wieder dreckig.«
»Das ist nun aber wirklich übertrieben«, ereiferte sich Florian. »In Neubaugebieten lässt sich Dreck nun mal nicht vermeiden, aber so allmählich wird die Gegend doch richtig zivilisiert. Bei meinem letzten Besuch war eure Straße noch nicht asphaltiert.«
»Was blieb denen denn auch anderes übrig?«, knurrte Urban. »Entweder mähen oder teeren.«
Florian steckte seine Notizen in die Tasche und stand auf. »Jetzt komm endlich, alter Junge, wir müssen nach Hause. Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, deiner Mutter zu begegnen, wenn ihr lallender Sohn an meinem Arm hängt.«
»Du hast vielleicht eine Ahnung von meiner Aufnahmekapazität! Alkohol, mäßig genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht. Alte Bundeswehrweisheit!« Urban erhob sich und marschierte kerzengerade auf die Tür zu. Es war die zur Damentoilette.
Florians Reformpläne
D en Tag sollte man auf angenehmere Weise beginnen können als mit Aufstehen, ging es Florian durch den Kopf, als er seinen Brummschädel unter die Dusche hielt. Was auch immer ihm Urban eingetrichtert haben mochte, es musste ein höllisches Gebräu gewesen sein! Tote Leiche hatte er diese Mischung aus Wodka, Gin, Blue Curaçao und Orangenlikör genannt, und genauso kam sich Florian jetzt vor. Ob es in diesem Haus irgendwo Alka-Seltzer gab? Bestimmt nicht, alkoholische Exzesse fanden hier nicht statt. Zum Abendessen trank man Tee und hinterher am Kaminfeuer ein Glas Wein, das war stilvoll und absolut ungefährlich, weil es meistens kein zweites mehr gab. Gisela pflegte in den späten Abendstunden noch zu arbeiten und brauchte einen klaren Kopf.
Zum Glück hatte sie sich auch gestern bald entschuldigt und war in ihr Zimmer gegangen. Fast automatisch hatte sie die noch halb volle Weinflasche vom Tisch geräumt, nach kurzem Zögern aber doch wieder hingestellt. Und als die leer gewesen war, hatte Fabian sogar eine neue geholt. Trockenbeerenauslese mit einem halben Dutzend Siegeln auf dem Etikett. In dieser gemütlichen Atmosphäre waren dann beinahe nebenher alle Vereinbarungen getroffen und sogar schriftlich fixiert worden, die Florian als außerordentlich wichtig, Fabian dagegen als sekundär empfunden hatte. Er hatte sich viel mehr für die psychologischen Theorien seines Bruders interessiert und ihm für die praktische Anwendung viel Glück gewünscht. »Ich kann mir nicht helfen, Florian, aber die moderne Erziehung macht die Verständigung mit der Jugend immer schwieriger. Nicht genug damit, dass man ihre Fragen nicht beantworten kann – man weiß oft nicht einmal, wovon überhaupt die Rede ist.«
Dem hatte Florian lachend beipflichten müssen. »In der ersten Hälfte unseres Lebens bemühen wir uns, die ältere Generation zu verstehen, in der zweiten die
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