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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bevor er wieder aufstand und seine Nichte herzlich umarmte. »Du bist aber …«
    »… groß geworden, ich weiß. Warum fällt keinem mal was anderes ein?«
    »Hübsch geworden, wollte ich sagen«, verbesserte Florian lächelnd.
    »Mein Gott, du bist ja noch immer nicht nüchtern!« Abschätzend musterte Rüdiger seine Schwester. »Wie kannst du dieses dünne Gerippe als hübsch bezeichnen?«
    Im Gegensatz zu ihren Brüdern war Melanie etwas klein geraten, knapp über einsfünfundsechzig, schätzte Florian. Ihr Gesicht hatte noch ausgesprochen kindliche Züge, die durch die dunklen, halblangen Haare unterstrichen wurden, und es fiel Florian schwer, in seiner Nichte den frühreifen Vamp zu sehen, als den ihre Mutter sie hingestellt hatte. Das war doch ein ganz normaler Teenager mit Pickeln auf der Stirn, die sich trotz der reichlich aufgetragenen Tönungscreme nicht ganz vertuschen ließen. Nicht mal Nagellack benutzte sie, ganz im Gegenteil! Zwei Tintenflecke und eine nur oberflächlich entfernte Mickymaus auf dem Handrücken verrieten das verspielte Schulmädchen. Mit Melanie würde es bestimmt keine Probleme geben, sie brauchte nur Verständnis und Zuwendung.
    »Florian, weißt du, warum die Störche immer in den Süden fliegen?«, fragte Rüdiger kauend.
    »Hältst du mich für dämlich?«
    »Nein, im Ernst, warum tun sie das?«
    Als er in die ergebenen Duldermienen der anderen sah, dämmerte ihm, dass er in irgendeiner Weise geleimt werden sollte. Vorsichtshalber schwieg er.
    »Na, weil die im Süden auch Kinder haben wollen.«
    »Sehr witzig!«
    »Daran musst du dich gewöhnen«, sagte Clemens gleichmütig. »Der einzige Grund, weshalb der Kerl überhaupt noch in die Schule geht, ist wohl der, dass er dort überall dies blöden Sprüche sammelt, mit denen er uns pausenlos nervt. Wir hören schon gar nicht mehr hin.«
    »Ich kenne auch einen«, meinte Florian eifrig. »Wie kommt ein Elefant wieder vom Baum runter?«
    »Er setzt sich auf ein Blatt und wartet, bis es Herbst wird. Ist ja uralt.«
    »Na, dann eben nicht«, knurrte sein Onkel und sah sich nach etwas Handfesterem um. Das Gurkenglas war inzwischen leer, und auf Birchermüsli, das ihm Rüdiger wortlos hinschob, hatte er nun wirklich keinen Appetit. »Habt ihr noch Eier?«
    »Ich mach dir welche«, bot Melanie an. »Gekocht oder gebraten?«
    »Frag lieber, ob steinhart oder verkohlt«, verbesserte Urban.
    »Und wer, glaubst du, hat deine Rühreier gemacht?«
    »Marthchen, wer sonst?«
    »Ich!«
    »Also deshalb habe ich dauernd auf den Schalen herumgekaut. Weißt du nicht, dass man die nicht mit in die Pfanne schmeißt?«
    »Vielleicht war es auch bloß der Schnabel vom Küken«, entgegnete seine Schwester patzig. »Ich glaube, das eine Ei ist nicht mehr ganz frisch gewesen.«
    Bevor die Auseinandersetzung handgreifliche Formen annehmen konnte, kam Martha in die Küche. »Raus jetzt, ich muss mich ums Mittagessen kümmern, und dazu kann ich keine Horde halb nackter Zuschauer brauchen.« Tadelnd sah sie Melanie an, die nur eine Turnhose trug und darüber eine oberflächlich zusammengeknotete Frotteejacke.
    »Ich wollte ja zuerst ins Bad, aber in dem einen gurgelte Florian, und im anderen arbeitet Vater.«
    »Im Bad?«, fragte Florian erschrocken.
    »Genauer gesagt, in der Badewanne. Da entwirft er immer seine Vorträge, weil ihn niemand stören kann. Sagt er jedenfalls.«
    »Stimmt ja gar nicht«, gluckste Rüdiger. »Ich bin mal reingeplatzt, als er vergessen hatte abzuschließen, und da schwammen lauter Papierschiffchen auf dem Wasser. Der Herr Professor war so vertieft, dass er mich nicht mal bemerkt hat.«
    »Mark Twain hatte Recht, als er behauptete, das Greisenalter sei eine zweite Kindheit minus Lebertran.«
    »Dein Vater ist einundfünfzig, Clemens!«, gab Florian zu bedenken.
    »Aha, er ist über seine Jahre hinaus gereift.«
    Vor Marthas drohend erhobenem Schneebesen trat das Kleeblatt den Rückzug an. Nur Florian blieb sitzen. »Soll ich dir beim Kartoffelschälen helfen? Das kann ich prima.«
    »Dafür haben wir eine Maschine. Wir haben für alles Maschinen! Kein Wunder, dass man langsam selbst zu einer wird.«
    »Du nicht, Marthchen, du hast viel zu viel gesunden Menschenverstand.«
    »Ja, ich weiß, unser Zeitalter ist stolz auf Maschinen, die denken können, aber misstrauisch gegen Menschen, die das versuchen.«
    Verblüfft ließ Florian die Gabel sinken. »Ist das von dir?«
    »Nein, ich hab’ das mal gelesen und mir gemerkt, weil es mir

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