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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Schumanns Taschenuhr, die Clara fast immer um den Hals trug. »Sehr hübsch, aber – verzeihen Sie! – sie passt nicht zu diesem Kleid. Er streckte die Hand nach der Uhr aus, und Clara reichte sie ihm. Er stand auf und hielt sie an das Kleid. »Sehen Sie?«, fragte er. »Sie passt nicht. Bei Hofe wird man so etwas sofort bemerken. Die Damen dort haben Zeit, sich mit solchen Fragen ausgiebig zu beschäftigen.« Er griff in die Westentasche und holte seine eigene Taschenuhr hervor. »Brillanten und Rubine«, sagte er. »Weiß und rot wie Ihr schönes Kleid.« Er hielt die Uhr gegen das Kleid und diesmalpasste alles. »Sie müssen sie heute Abend tragen. Man wird Sie darum beneiden.« Er ließ die Uhrkette auf seine Handfläche rieseln und hielt Clara dann das Schmuckstück hin.
    Clara erschrak. »Das kann ich unmöglich annehmen!«, wehrte sie ab. Von Kindheit an war sie gewohnt, dass man sie beschenkte, auch mit kostbarem Schmuck. Bei Alfred von Schönburg aber empfand sie ein Geschenk ganz anders. Es wäre das Geschenk eines Mannes an eine Frau gewesen, und sie hätte sich ihm danach verpflichtet gefühlt.
    Doch er zog seine Hand nicht zurück. »Die Uhr ist ein altes Familienstück«, erklärte er. »Ziemlich kostbar und mit vielen Erinnerungen behaftet. Ich will sie Ihnen gar nicht schenken, sondern nur leihen. Ihnen als lieber Freundin. Das sind wir doch: Freunde, oder?«
    Clara nickte. »Aber dann haben Sie selbst keine Taschenuhr!« Sie musste plötzlich lachen. »Sie würden zu spät zur Audienz erscheinen, und der Kaiser würde mit Ihnen schimpfen.«
    Auch er lachte nun. Er legte ihr die Uhr in die Hand und umschloss sie mit seinen beiden Händen. »Dann leihen Sie mir bis morgen eben Ihre kleine Uhr«, schlug er vor.
    Clara zögerte. Dann nickte sie und überließ ihm das Geschenk Robert Schumanns und der Davidsbündler zu ihrem sechzehnten Geburtstag. Wie glücklich sie damals gewesen war und wie jung! Eine Ewigkeit schien seit damals verstrichen zu sein und dabei war es noch nicht einmal drei Jahre her.
    Als der Fürst die Uhr in seine Tasche steckte, erschrak Clara und wurde blass. Sie hatte das Gefühl, ihren heimlichen Verlobten zu hintergehen und auch sich selbst zu verraten. Irgendwie war plötzlich alles zu viel für sie. Am liebsten wäre sie davongelaufen: aus diesem Zimmer, diesem Haus, dieser Stadt und diesem Land. Vielleicht war dies alles doch nicht das Richtige für sie und sie gehörte in Wahrheit in dieses kleine Haus in Zwickau, von dem Robert Schumann so oft schwärmte. Wie friedlich man dort leben könnte: ohne Anfechtungen, ohne Lügen und ohne Selbstzweifel.
    »Auch an dieser Uhr hängen anscheinend ein paar Erinnerungen.«
    Die Stimme des Fürsten riss Clara aus ihren Gedanken. Sie nickte.
    »Zärtliche Erinnerungen?«
    Wieder nickte Clara.
    Da stand er auf und verneigte sich. »Ein erfolgreicher Abend steht Ihnen bevor«, sagte er und küsste ihre Hand. »Genießen Sie ihn.«
    Clara erschrak. »Aber Sie werden doch dabei sein, oder?«, fragte sie besorgt. »Sie haben es versprochen.«
    Er lächelte verbindlich und ging zur Tür. »Aber natürlich werde ich kommen, meine Liebe. Nie würde ich mir ein so erfreuliches Ereignis entgehen lassen.«
    Als Friedrich Wieck das Schmuckstück um Claras Hals bemerkte, errötete er. Auf den ersten Blick erkannte er den materiellen Wert der Uhr und der dazugehörigen Kette. Der ideelle Wert aber, den er ebenfalls zu begreifen glaubte, benahm ihm den Atem. »Von ihm?«, fragte er, obwohl er meinte, er wüsste schon Bescheid.
    Clara nickte. »Vom Fürsten«, antwortete sie und wollte ihrem Vater erklären, dass das kostbare Schmuckstück nur eine Leihgabe für diesen Abend sei. Sie kam aber nicht dazu, etwas zu sagen, denn Friedrich Wieck umarmte sie, wirbelte sie im Kreis und nannte sie sein liebes Clärchen und seine wundervolle Tochter, die schon immer sein höchstes Gut gewesen sei. »Nur für dich habe ich gelebt in all den Jahren und jetzt werde ich belohnt. Wir fahren in die Hofburg zum Kaiser persönlich, und du, mein liebes Kind, steigst in Höhen auf, von denen ich nicht einmal zu träumen gewagt hätte.«
    Clara wollte widersprechen, doch da legte er ihr schon das Cape um, band eigenhändig die Schleife und eilte auf die Straße hinaus, wo bereits eine Kutsche wartete. »Meine kleine Fürstin!«, sagte er zu Clara und half ihr beim Einsteigen.
    Als sie durch die abendlichen Straßen fuhren, in denen einmilder Luftzug bereits den Frühling

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