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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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schwer, sich durchzusetzen: ein zierlicher Mensch, noch nicht einmal dreißig, mit lebhaften Zügen und einem enthusiastischen Auftreten, das seine Familie und seine Mitarbeiter lange nicht zu würdigen wussten, da alle noch den brauengewaltigen Sebastien vor sich sahen, der alles immer nur allein entschieden hatte und keinen Widerspruch duldete.
    Inzwischen hatte man jedoch gelernt, auch seinen Nachfolger zu schätzen. Unter seiner temperamentvollen Führung war die Firma Erard zur größten Klavierfabrik des Landes aufgestiegen und hatte die Kontrahenten Pleyel und Pape weit hinter sich gelassen. Nur die Engländer Broadwood & Sons konnten Erard noch gefährlich werden. Doch Pierre Erard war bereits kräftig dabei, in ganz Paris zu verbreiten, die Broadwood-Klaviere klängen vergleichsweise fade und machten im Konzertsaal keinen Effekt.
    Pierre Erard wusste um die Bedeutung von Reklame. Durch sein mitreißendes Temperament erinnerte er Clara ein wenig an ihren Vater. Von Anfang an fühlte sie sich in Pierres Gegenwart wohl. Sie ließ zu, dass er ihr einen großen Teil ihrer Konzertbesorgungen abnahm und ihr sogar Empfehlungen für die Gestaltung ihres täglichen Lebens erteilte.
    Auf seinen Rat hin befreite sie sich als Erstes von ihrer Gesellschafterin, die in letzter Zeit ohnedies immer »maliziöser« geworden war – wie Clara es in ihren Briefen an Robert Schumann ausdrückte. Die Französin gab boshafte Antworten, vernachlässigte ihre Pflichten und kam eigentlich nur noch zum Essen und Schlafen ins Hotel. Erst als ihr Clara mitteilte, von nun an werde sie ganz oben im Dienstbotentrakt untergebracht, verschlug es ihr die Sprache. Sie drohte mit Kündigung, worauf Clara sofort einging. Sie hatte inzwischen Friedrich Wiecks Vertrag genau studiert und ihm entnommen, dass der endgültige Lohn der Gesellschafterin erst nach der Rückkehr in Leipzig – und nur dort! – ausgezahlt werden solle.
    Damit hatte sie die Französin in der Hand, denn Claudine Dufourd wollte weder unter dem Dach hausen noch ins finstere Deutschland zurückkehren. Als Clara vorschlug, ihr den Lohn für die bisher geleistete Begleitung sofort auszuzahlen, sich danach aber ohne weitere Verpflichtungen von ihr zu trennen, griff sie erleichtert zu. »Ich werde nie verstehen, dass eine Berühmtheit wie Sie einen derart kleinbürgerlichen Lebensstil ertragen kann«, sagte sie zum Abschied. »Wissen Sie nicht, wie viele reiche Männer es in dieser Stadt gibt? Es ist natürlich eine Frage der Intelligenz, sich sein Leben angenehm zu gestalten.« Damit verließ sie das Hotel und Claras Leben. Vielleicht hatte sie längst einen Gönner gefunden, der ihr mehr zu bieten hatte als nur ein Kämmerchen unter dem Dach.
    Auch über ihre eigene Wohnsituation unterhielt sich Clara mit Pierre Erard. Während ihrer Tournee hatte sie gehofft, bei Emilies Familie unterzukommen, doch deren Pariser Heim war kleiner und bescheidener als das Haus in Leipzig. Clara war schon froh, dass sie wenigstens ihren Schmuck und ihre Reisekasse in der Rue des Martyrs 43 unterbringen konnte, während sie selbst mit Henriette Reichmann im vornehmen »Hôtel de Prince« Logis nahm.
    So hatte sie es von ihrem Vater gelernt: Der Erfolg einer Künstlerin konnte daran abgelesen werden, welches Hotel sie sich leisten konnte. Dabei graute Clara, als sie den Zimmerpreis erfuhr.Natürlich würde sie sich mit Henriette ein Zimmer teilen, doch ihre tägliche Kalkulation sagte ihr, dass der Aufenthalt in diesem feinen Haus trotzdem nicht von langer Dauer sein durfte.
    Als sie Pierre Erard von ihren Sorgen erzählte, antwortete er, das aufmüpfige Paris könne nicht mit dem überregulierten Wien verglichen werden. In Paris interessiere sich niemand dafür, wo die Künstler wohnten, denen man Kränze flocht. »Einmal ist Geld da, dann auch wieder nicht«, lachte er. »Auf das Talent kommt es an und nicht darauf, ob das Bett auf blanken Holzdielen steht oder auf einem seidenen Teppich.« Danach vermittelte er Clara ein hübsches, preiswertes Hotel in der Rue Michadière und später, als der Sommer nahte, sogar eine gemütliche Wohnung im Haus eines Schiffers in Bougival, wo Clara in Ruhe komponieren und ihre Konzerte vorbereiten konnte und von wo sie mit der Dampfbahn in einer halben Stunde in Paris war.
    »Sie sind mein Schutzengel, Monsieur!«, sagte Clara dankbar, als ihr Pierre Erard noch vor der Übersiedlung nach Bougival einen seiner besten Flügel ins Zimmer stellen ließ.
    »Purer

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