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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Eigennutz!«, antwortete er achselzuckend. »Wenn Sie Ihre wunderbaren Konzerte auf einem Erard-Flügel geben, werden sich die Bestellungen bei uns vervielfachen.« Er beugte sich vor. »Ein kleiner Rat fürs Leben«, kündigte er an. »Glauben Sie keinem, der Ihnen aus reiner Menschenliebe Gutes tun will! Die besten Helfer sind immer die, die selbst einen Vorteil aus ihrem Entgegenkommen ziehen. Eine Hand wäscht die andere: Ich erleichtere Ihnen das Leben in Paris und Sie beweisen dem Publikum, wie herrlich man auf unseren Klavieren spielen kann.«
    Friedrich Wiecks praktischer Tochter leuchteten diese Argumente ein. Sie erschrak jedoch, als am nächsten Morgen ein Wagen der Firma Pleyel vor dem Hotel auftauchte und drei kräftige Männer einen Pleyel-Flügel in ihr Zimmer schleppten. Sogar das Bett mussten sie verschieben, damit genügend Platz für das Instrument entstand. Dann verschwanden sie einfach, während Clara und Henriette ratlos zurückblieben. Als gegen Mittag dann auch noch starke Männer der Firma Pape auftauchten und sichmit ihrem Instrument die Treppe hinaufquälten, dachte Clara, dass jetzt wohl nur noch ihr neu ernannter Schutzengel helfen könne. Da der dritte Flügel wahrlich nicht mehr ins Zimmer passte, blieb er bei offener Tür halb auf dem Korridor stehen, während die Männer mit der Bemerkung flüchteten, sie hätten nur zu liefern. Alles andere gehe sie nichts an.
    Der Hotelier protestierte, während sich Clara der Reihe nach an jeden Flügel setzte und den Anschlag ausprobierte. Zu ihrer Enttäuschung kam sie zu dem Schluss, dass das Erard-Klavier zwar einen wirklich schönen Klang hatte, dafür aber nur sehr schwer zu erdrücken war. Das Pleyel-Instrument beanspruchte die Finger weniger. Vielleicht hatte das einstige Wunderkind Camilla Moke ihren Anteil daran. Sie war inzwischen mit dem Besitzer der Firma Pleyel verheiratet. Allerdings hatte die Künstlerin ihren Gatten bereits nach kurzer Ehe verlassen und tourte derzeit, wie Clara der Presse entnommen hatte, durch Deutschland – eine lebenslustige Frau von achtundzwanzig, die sich benahm, als wäre sie immer noch ledig.
    Am leichtesten ließ sich das Pape-Klavier spielen. Der Firmenbesitzer stammte aus Deutschland und hatte sein Handwerk bei Erard gelernt. Nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, verbesserte er die herkömmlichen Instrumente, indem er die Hämmer mit Filz überzog und die Saiten über Kreuz anordnete. Clara, ganz Tochter eines Klavierbauers, konnte gar nicht aufhören, die Flügel zu untersuchen und zu vergleichen. Sie blickte erst auf, als Pierre Erard auftauchte und sich sofort bereit erklärte, die beiden Konkurrenzklaviere entfernen zu lassen.
    Doch Clara hielt ihn zurück. Sie erklärte ihm alle ihre Einwände, und Pierre Erard war weitblickend genug, auf ihre Kritik einzugehen. »Wir können zusammenarbeiten, Mademoiselle«, schlug er vor. »Sie sagen mir, was Sie sich von meinen Klavieren wünschen, und ich versuche, nach Ihren Vorschlägen ein Traumklavier zu entwickeln.«
    Damit war Clara einverstanden. Es dauerte noch mehrere Wochen, bis ihr Klavier so weit verbessert war, dass sie ohne Überanstrengungauch mehrere Stunden am Tag darauf spielen konnte. Mehrere Wochen – gerade so lange, wie sie brauchte, sich in Paris bekannt zu machen, und bis die große Welt zur Kenntnis nahm, dass das einstige Wunderkind Clara Wieck nun erwachsen war und eine Künstlerin, der zuzuhören sich lohnte.
2
    Die Pariser Salons öffneten ihre Türen für die junge Frau aus Deutschland, deren Name dem Publikum nun schon so viele Jahre lang vertraut war. Man kannte sie, das merkte Clara erst jetzt, und man respektierte sie als ein neues Mitglied der Pariser Künstlerszene. Kein Abend, an dem sie nicht eingeladen war und an dem sie nicht aufgefordert wurde, sich ans Klavier zu setzen. Informelle Einladungen zumeist, aber auch große, ehrenvolle Konzerte, über die die Presse ausführlich berichtete.
    Clara schlug kein Angebot aus, auch wenn sie danach manchmal so erschöpft war, dass sie kaum einschlafen konnte. Einmal spielte sie an einem einzigen Tag auf zwei bedeutenden Veranstaltungen: erst auf einer Matinée im Hause von Moritz Schlesinger, dem einflussreichen Herausgeber der »Revue et gazette musicale«, und abends dann bei Pierre Zimmermann, Professor für Klavier am Conservatoire, dem heimlichen Ziel ihrer Sehnsucht. Wenn es ihr erst gelang, dort zu konzertieren, hatte sie es wohl geschafft. »Paris gehört dir!«,

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