Das Maedchen am Klavier
aber noch lange nicht, dass ich die Verbindung meiner Tochter mit einem Menschen wie Ihnen gutheiße. Sie haben sich Claras Unerfahrenheit zunutze gemacht, um sie in einer Weise an sich zu binden, die ich schon als krankhaft bezeichnen muss. Da ich mein armes Kind aber über alle Maßen liebe, werde ich dieser Ehe nicht mehr entgegentreten, falls – ja, falls! – Sie Ihre Beweise erbringen können.«
Robert Schumann atmete auf. »Ich danke Ihnen, Herr Wieck«, sagte er mit zitternder Stimme. »Ich verspreche Ihnen ...«
Doch Friedrich Wieck gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. »Hier meine weiteren Bedingungen«, kündigte er mit noch schärferer Stimme als zuvor an. »Ich gedenke nicht, Ihnen zu gestatten, dass Sie in meiner Nähe wohnen und womöglich versuchen, sich in meine Kreise einzudrängen. Ich verlange daher, dass Sie, solange ich lebe, nicht in Sachsen wohnen bleiben. Meine Tochter darf mich jederzeit hier besuchen. Ihnen aber bleibt der Zugang zu diesem Haus verwehrt. Nehmen Sie weiters zur Kenntnis, dass nach meinem Tode mein gesamtes Vermögen an meine Frau fallen soll und an meine anderen Kinder, deren musikalisches Talent ich nicht ausbilden konnte, weil ich mein ganzes Leben Clara widmete.«
»Sie enterben Ihre Tochter?«
»Das Capital meiner Tochter, das aus ihrem Anteil unserer Konzerteinnahmen besteht, behalte ich vorläufig bei mir und verzinse es mit vier Prozent. Nach fünf Jahren kann sie mich dann um eine eventuelle Auszahlung bitten.«
Robert Schumann zitterte am ganzen Leib. »Finden Sie es gerecht, Herr Wieck, dass ...«
Doch Friedrich Wieck hörte ihm nicht einmal zu. »Das wäre alles«, schnitt er ihm das Wort ab. »Die weiteren Schritte liegen bei Ihnen. Wenn Sie meine Bedingungen erfüllen und meine arme Tochter nicht doch noch zur Besinnung kommt, können Sie meinetwegen zu Michaelis vor den Altar treten. Auf meine Anwesenheit werden Sie dabei allerdings verzichten müssen.« Damit beendete er das Gespräch, ohne Robert Schumann weiter zu beachten, und stürmte aus seinem eigenen Salon.
»Herr Wieck!«, rief ihm Robert Schumann nach. »Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass ...«
Aber es war Friedrich Wiecks Ernst. Robert Schumann hörte noch, wie im oberen Stockwerk eine Tür ins Schloss fiel. Dann war es so still im Hause, als wäre es ausgestorben.
Mit zitternden Händen raffte Robert Schumann die Belege, die ihm Friedrich Wieck unter die Nase gehalten hatte, an sich und stolperte die Treppe hinunter, vorbei am triumphierenden August, der seinen innigsten Herzenswunsch endlich erfüllt sah.
Draußen auf dem Bürgersteig schleuderte Robert Schumann in höchster Wut die verhassten Papiere von sich, als trügen sie die Schuld an allem. Fast heiter flatterten sie im Wind an den Hauswänden entlang und wurden an der nächsten Kreuzung von spielenden Kindern jubelnd aufgesammelt. Die Kinder versuchten zu lesen, was auf den geheimnisvollen Zetteln stand: »Für Redaktion meiner Zeitschrift = 620 cf., an Musikalien für 8000 cf. Ladenpreis – netto 200 cf. ...« Nichts, das Kinder interessieren konnte. Deshalb setzten sie sich auf die Gehsteigkante und falteten aus den Lebensspuren eines Verzweifelnden kleine Schiffe, die sie leider nicht auf die Reise schicken konnten, weil es in den letzten Tagen nicht geregnet hatte.
Clara, in Paris, wusste von alldem nichts. Sie atmete auf, als ein knappes Schreiben ihres Vaters eintraf, in dem er berichtete, ihr »beharrlicher Bewerber Schumann« habe »wieder einmal« um ihre Hand angehalten. »Ich habe ihm einige Bedingungen gestellt, vornehmlich Dein Wohl betreffend, ihm aber Eure Heiratdennoch prinzipiell erlaubt, falls Du, was ich nicht hoffe, immer noch darauf bestehst. Wenn Ihr wollt, bereits zu Michaelis. Glücklich bin ich darüber nicht. Solltest Du diesen Mann trotz meiner Einwände heiraten, wird meine väterliche Fürsorge ein Ende haben und Du hast von da an Dein Schicksal selbst zu verantworten. Allerdings hoffe ich immer noch, dass Du zur Vernunft kommst. Schließlich bist Du meine Tochter, die ich von ganzem Herzen liebe und der ich alles Glück dieser Welt wünsche. Diese Heirat aber würde Dich niemals glücklich machen.«
Langsam ließ Clara das Schreiben sinken. Unbewusst streichelte sie zärtlich darüber. Sie dachte, dass mit dieser Einwilligung ihres Vaters in Erfüllung ging, was sie sich jahrelang sehnsüchtig gewünscht hatte. Mein lieber Papa!, dachte sie. Es schmerzte sie, dass sie ihm so viel
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