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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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sie selbst. Nun aber fühlte sie sich am richtigen Platz, und wenn die Gäste fort waren und die Lichter im Hause gelöscht, genoss sie mit einem triumphierenden Lächeln in die Dunkelheit hinein, dass ihr Gatte auch in den Stunden der Ehe seine Freude an ihr hatte.

Madamigella Clara Wieck
1
    Ein Karussell begann sich zu drehen, schnell und immer schneller, dass die Lichter vorbeiflogen und die Gesichter der Zuschauer zu einem einzigen schmutzigweißen Band verschwammen. Es rauschte und sirrte, als wäre man gar nicht mehr hier, auf der guten, alten Erde, sondern irgendwo, weit entrückt im Universum, das plötzlich widerhallte von Trillern und Läufen und Akkordpassagen, alles unter den Händen eines schwarzäugigen Mädchens, das sich aufgemacht hatte, mit den Sternen zu spielen.
    Oktaven und Doppeloktaven, alles mit Bravour. Doppelmordente und Fingerwechsel auf einer Taste, dazwischen zierliches Hüpfen und sanfter Anschlag, um die Seelen zu berühren. Doch noch war ein dauerhaftes Innehalten nicht erwünscht. Alles eilte dahin, immer noch schneller, gleichsam im Rhythmus der neu erfundenen Maschinen und der beunruhigenden Fortbewegung mit der Eisenbahn, die die Welt seit kurzem zusammenrückte und ihr den Atem nahm. Erst wenn das Tempo kaum noch zu ertragen war, verklangen die Töne und wurden plötzlich leise und zart, dass den Zuhörer Sehnsucht überfiel nach etwas, irgendetwas, das ihm fehlte, er begriff nicht einmal, was es war. Ein Kind, das das Leben noch nicht kannte, erweckte es in den Herzen derer, die ihm lauschten, als wäre ihm alle Weisheit der Welt einfach zugeflogen und alle Gefühle des Menschen vererbt – ohne Mühe und ohne den Preis leidvollen Lernens.
    Ein kleines Mädchen, das nach den Seelen griff: In Wahrheitwar es vielleicht nur ein gelehriges Werkzeug in der Hand eines einst Erfolglosen, der durchschaut hatte, wie man sich auch ohne besondere Begabung zum Puppenspieler aufschwingen konnte, der die Fäden zog. Friedrich Wieck wusste genau, wie er sein Clärchen zu präsentieren hatte, damit den Zuhörern der Atem stockte und sie überzeugt waren, Zeugen eines außergewöhnlichen musikalischen Ereignisses zu sein. Scheinbar ganz bescheiden führte er seine Tochter ein, behutsam, als ginge es nur darum, einem begabten Kind die Gelegenheit zu bieten, zu zeigen, was es gelernt hatte.
    Nicht als Konzertgeberin betrat Clara Wieck zum ersten Mal die traditionsreiche Bühne des Leipziger Gewandhauses. Keine großartige Ankündigung auf den Plakaten, die vordergründig für eine Pianistin aus Graz warben. Friedrich Wieck selbst hatte die Künstlerin vermittelt, die nicht ahnte, dass sie als Kontrastprogramm eingeladen war – eine rundliche, farblose junge Frau, beeinträchtigt von quälendem Lampenfieber, das sie linkisch wirken ließ, wenn sie sich dem Publikum stellte. Dass sie überhaupt engagiert wurde, lag daran, dass sie sich bekanntermaßen nach den ersten Stücken entspannte und in der Folge eine respektable Leistung bot. Dazu aber, schätzte Friedrich Wieck, würde es diesmal schon zu spät für sie sein, denn bereits zuvor, zwischen Panik und Beruhigung, würde er wie mit einem Donnerschlag seine Clara vorschicken, und niemand im Publikum würde mehr auf die angebliche Hauptakteurin achten.
    Als die Künstlerin aus ihrer Garderobe kam, meinte sie noch, sie sei die Attraktion des Abends. Natürlich hatte man sie informiert, dass auch die Tochter des Impresarios auftreten würde, ein neunjähriges Mädchen, das schon mehrmals vor geladenen Gästen gespielt habe und heute zusammen mit einer anderen Schülerin aus dem Wieck’schen Institut eine vierhändige Variation über einen Marsch aus »Moses« von Kalkbrenner darbieten werde. Clara Wieck heiße das Kind und werde stimmführend rechts sitzen ... Ein typischer Fall von Protektion, dachte die Künstlerin gleichmütig. Es ärgerte sie nur, dass die Kinder gleichnach dem zweiten Stück an der Reihe sein sollten, wenn sich ihre eigene Nervosität noch nicht gelegt haben würde.
    Friedrich Wieck hatte richtig kalkuliert. Schon nach der ersten Verneigung des österreichischen Gastes lehnten sich die Damen und Herren im Publikum zurück und richteten sich auf einen durchschnittlichen Abend ein. Als auf der Stirn der Pianistin die ersten Schweißtropfen glänzten, fing man in den hinteren Reihen bereits zu plaudern an. Trotzdem klatschte man höflich. Als sich danach die Wieck’sche Schülerin Emilie Reichold ans Klavier setzte, stellte man

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