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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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jung«, sagte Theo. Am liebsten hätte ich erwidert, dass er, ein armseliger ehemaliger Knecht, sich nicht einbilden solle, er hätte mir irgendetwas zu sagen. Doch ich unterdrückte meine Aufsässigkeit, um nicht Hildegard gegen mich aufzubringen.
    »Ich wollte nur mal probieren. Und keine Sorge: Mehr davon trinke ich auf keinen Fall. Es schmeckt wirklich gar zu eklig.«
    Theo und die jüngeren Burschen lachten sich halbtot darüber. Als sie sich wieder beruhigt hatten, begannen sie mit ihren Heldentaten anzugeben: wer am meisten vertrug, wer wo und wann die gigantischste Menge Bier gesoffen hatte, was ihnen im Rausch alles für Dinge passiert waren. Hildegard, Anna und ich fielen bei den »Pointen« in ihr Lachen mit ein, obwohl wir die Geschichten eigentlich nicht lustig fanden.
    Michel hatte ein feines Gespür für meine wahre Stimmung, denn wenig später forderte er mich wieder zum Tanzen auf.
    »Komm – unsere Sorgen können wir uns jeden Tag im Jahr wegtrinken, aber tanzen tun wir so selten.«
    Ich fand das sehr weise von ihm, obwohl ich wenig später zu der Erkenntnis gelangte, dass nicht Weisheit ihm diesen klugen Satz eingegeben hatte, sondern die Lust, mich möglichst fest an sich zu drücken. Ich hatte nichts dagegen. Ich war glücklich.
    Hildegard und Theo verließen die Kirmes zeitig. Ich durfte noch bleiben, solange auch meine Brüder dort waren. Diese waren dafür verantwortlich, mich spätestens um Mitternacht nach Hause zu begleiten. Michel und ich tanzten ohne Pause, bis irgendwann Lukas darauf drängte, heimzugehen. Meine anderen beiden Brüder waren anscheinend schon aufgebrochen, denn wir konnten sie nirgends entdecken.
    Kaum waren wir zwei Pärchen – Lukas und Anna sowie Michel und ich – außer Sichtweite der anderen Kirmesbesucher, sagte mein Bruder zu Michel: »Es ist ja nicht weit bis zu unserem Hof. Ich kann dir doch wohl meine Schwester anvertrauen, oder?«
    »Natürlich.«
    »Du wirst sie wohlbehalten daheim abliefern, oder?«
    »Aber sicher.«
    »Ehrenwort?«
    »Ja, Ehrenwort.« Michel klang jetzt schon etwas ungehalten.
    Zu mir gewandt sagte mein Bruder: »Keine Umwege, keine sonstigen … äh … Abenteuer, verstanden?«
    Ich nickte. Ich verstand nicht recht, warum er nicht einfach mit uns ging, wenn es ihm so wichtig war, dass ich nicht allein mit Michel blieb. Ich vermutete jedoch, dass es ihm noch wichtiger war, ein wenig Zeit allein mit Anna zu verbringen, und seien es auch nur wenige Minuten.
    »Außerdem«, fuhr Lukas fort, »kein Sterbenswörtchen hierüber zu Vater oder Hildegard.«
    Ich schüttelte den Kopf. Niemals hätte ich meinem Bruder in dieser Situation widersprechen können – ich war viel zu aufgeregt angesichts der Perspektive, in Kürze ganz allein mit meinem Schwarm zu sein, noch dazu mitten in der Nacht auf einem einsamen Feldweg.
    »Ich bringe schnell Anna nach Hause«, sagte Lukas und verschwand mit ihr in einer Richtung, die gar nicht zu ihrem Haus führte, jedenfalls nicht auf kürzestem Weg.
    Michel und ich sahen uns an. Er wirkte mindestens ebenso überrascht wie ich selber. Ich schluckte, er räusperte sich.
    »Ja, also dann …«, stammelte er und legte den Arm um meine Taille.
    Ich hielt die Luft an. Bestimmt würde er mich jetzt küssen wollen, und vom Küssen hatte ich seit der unseligen Episode mit Wilfried genug. Doch Michel tat nichts dergleichen. Stattdessen schlenderten wir weiter wie zwei entfernte Bekannte, die durch einen unerklärlichen Zufall in einer Umarmung gefangen waren, die ihnen nicht ganz geheuer vorkam und von der sie nicht mehr wussten, wie sie zustande gekommen war.
    Es war eine zauberhafte, warme, sternenklare Nacht. Auf dem Hunsrück konnte man die Nächte, in denen es so mild war wie in jener, an einer Hand abzählen. Der Mond war zu drei Viertel voll, die Luft duftete nach Erde und dem satten Grün der Wälder. Glühwürmchen schwirrten vor uns herum. Es hätte alles sehr romantisch sein können, wenn wir zwei, Michel und ich, unsere Befangenheit hätten ablegen können. Doch das wollte uns nicht gelingen. Stattdessen begann ich vor Nervosität zu reden, besser gesagt, draufloszuquasseln. Weil ich Michel so anschmachtete, wollte ich ihn natürlich beeindrucken, und das, so meinte ich, müsse mir dadurch gelingen, dass ich mich mit meinen Reisen wichtig machte.
    »In Simmern war es in der Nacht noch ganz hell. Die haben da Laternen, die die ganze Nacht brennen, kannst du dir das vorstellen?« Nicht, dass ich dieses

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