Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
dass die Leute ihn anstarrten. Zum ersten Mal in seinem Leben war ihm das egal. »Ich habe deinen Schwan erstanden, weil ich ihn schön finde. Und noch eins: Meine Eltern sind sauer auf mich, weil ich nicht in Daddys Fußstapfen treten will! Außerdem wohne ich nicht in einem Penthouse an der Park Avenue, sondern in einer Studentenbude auf dem Campus mit Wohn-Schlafbereich, Gemeinschaftsküche und -klo!«
Grania drehte sich um und hob wortlos eine Augenbraue.
»Willst du sie sehen? Keiner meiner smarten Freunde mag mich da besuchen, weil sie auf der falschen Seite der Stadt liegt.«
Da lächelte Grania.
»Und«, fügte Matt hinzu, »es ist durchaus möglich, dass ich keinen Cent von meinen reichen Eltern erbe, wenn ich nicht ihren Wünschen entspreche.«
Sie starrten einander gut zwanzig Sekunden lang an – unter den interessierten Blicken schaulustiger Passanten.
Dann drehte Matt sich um und ging. Er hatte keine Ahnung, warum er so aus der Haut gefahren war. Eine Minute später holte Grania ihn ein.
»Hast du meinen Schwan wirklich mit dem Geld deiner Tante gekauft?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Klar. Sie war Kunstsammlerin und hat mir beigebracht, nur Werke zu erwerben, bei denen ich ein gutes Gefühl habe. Und das habe ich bei deiner Skulptur.«
Sie schlenderten eine Weile schweigend weiter. Am Ende entschuldigte sich Grania. »Tut mir leid. Ich habe vorschnell geurteilt. Das war falsch.«
»Schon vergessen. Aber wieso sind meine Herkunft und meine Kleidung so wichtig? Das ist doch wohl genauso sehr dein Problem wie meins.«
»Komm mir nicht mit diesem Psychologiequatsch, Mr. Connelly, sonst glaube ich am Ende, dass du mich beeindrucken willst.«
»Und ich glaube, dass du schon mal Ärger mit einem Typen wie mir hattest.«
Grania wurde rot. »Da könntest du recht haben. Woher weißt du das?«
Matt zuckte mit den Achseln. »Gegen Ralph Lauren kann man nichts haben. Das sind ordentliche Sachen.«
»Okay. Mein Freund war ein Vollidiot …«
»Müssen wir uns eigentlich auf der Straße unterhalten? Warum gehen wir nicht irgendwo was essen?« Matt zwinkerte ihr zu. »Wo’s keine Blazer gibt!«
Jener Abend und die folgenden Wochen sollten Matt als die schönsten seines Lebens in Erinnerung bleiben. Grania hatte ihn mit ihrer ehrlichen und direkten Art umgehauen. Matt war die Frauen der besseren Gesellschaft gewohnt, die ihre wahren Gefühle hinter einer Fassade aus Kultiviertheit verbargen. Im Vergleich zu ihnen wirkte Grania wie eine frische Brise. Wenn sie glücklich war, wusste er das, und wenn sie sich ärgerte, weil ihr die Arbeit nicht von der Hand ging, merkte er es ebenfalls. Außerdem nahm sie seine Berufswahl im Gegensatz zu vielen seiner reichen Freunde ernst, die glaubten, dass er irgendwann den Beruf seines Vaters ergreifen würde.
Obwohl Grania nicht die gleiche Bildung genossen hatte wie Matt, interessierte sie sich für alles und saugte Informationen auf wie ein Schwamm. Das einzige Haar in der Suppe war, dass er mit Charley Schluss machen musste. Für ihn war es ohnehin nur eine Affäre ohne Aussicht auf eine dauerhafte Bindung. Charley hatte seine Eröffnung gelassen hingenommen oder zumindest so getan. Im Lauf der Monate hatte Matt sie und seine alten Freunde immer seltener getroffen, weil er sie mit Granias Augen sah und erkannte, wie oberflächlich die meisten von ihnen waren. Aber es fiel ihm leichter, sich von seinen Freunden zu distanzieren als von seiner Familie.
An einem Wochenende hatte er Grania mit nach Hause genommen, um sie seinen Eltern vorzustellen. Grania hatte in den Tagen davor zahllose Kleidungsstücke anprobiert und war schließlich wenige Stunden vor der Abfahrt in Tränen ausgebrochen. Matt hatte sie tröstend in den Arm genommen. »Was du anhast, ist nicht wichtig. Sie werden dich um deiner selbst willen mögen.«
»Hm. Das bezweifle ich. Ich möchte dich nicht enttäuschen oder in Verlegenheit bringen, Matt.«
»Das tust du nicht, das verspreche ich dir.«
Matts Ansicht nach war das Wochenende einigermaßen gut verlaufen. Seine Mutter Elaine konnte manchmal penetrant sein, aber nur, weil sie das Beste für ihren Sohn wollte. Sein Vater war weniger zugänglich. Bob Connelly gehörte einer Generation an, in der die Männer Männer waren und sich weder in häusliche Angelegenheiten noch in die emotionalen Probleme ihrer Frauen einmischten. Grania hatte sich Mühe gegeben, doch Matts Vater war kein Mensch, mit dem man sich offen unterhalten konnte.
Auf
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