Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
sehr schön.«
»Ja.« Alexander seufzte. »Aber sie hatte Probleme.«
»Ach.«
»Psychische Probleme.«
»Oh.« Grania suchte nach einer passenden Antwort. »Das tut mir leid.«
»Erstaunlich, wie Schönheit andere Mängel kaschieren kann. Als ich Lily kennenlernte, hätte ich nie gedacht, dass eine Frau wie sie so sein könnte. Egal …« Alexander wandte den Blick ab.
Grania räumte die Teller in die Anrichte. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Alexander sie musterte.
»Egal«, wiederholte er, »für Aurora und mich ist es eine Freude, eine ganz normale Frau im Haus zu haben. Aurora hatte bisher kein weibliches Vorbild. Obwohl Lily sich natürlich größte Mühe gab«, fügte er hastig hinzu.
»Viele würden sagen, dass ich alles andere als normal bin«, entgegnete Grania schmunzelnd. »Fragen Sie meine Eltern oder meine New Yorker Freunde.«
»Grania, für mich verkörpern Sie alles, was eine Frau und Mutter haben muss. Ihren Verlust bedaure ich sehr.«
»Danke.«
»Jetzt habe ich Sie in Verlegenheit gebracht. Das tut mir leid. Ich bin momentan nicht ich selbst.«
»Ich gehe nach oben und lasse mir ein Bad ein. Danke, dass ich das Atelier nutzen darf. Es ist ein Traum.« Grania verließ die Küche mit einem matten Lächeln.
Später im Bett schalt sie sich dafür, dass sie sich ihm so weit geöffnet hatte. In Alexanders Verletzlichkeit hinter seiner stoischen Fassade erkannte sie sich selbst wieder.
Zum ersten Mal seit der Fehlgeburt weinte Grania um das kleine, zerbrechliche Wesen, das sie verloren hatte.
Im Verlauf der folgenden Tage kam Alexander häufiger nach unten. Manchmal sah er ihr im Atelier zu oder aß mit ihr zu Mittag. Als sie erwähnte, dass sie beim Arbeiten gern Musik höre, stellte er ihr eine schicke Anlage von Bose ins Atelier. Und sie erfuhr mehr und mehr über Lily.
»Anfangs beeindruckte es mich noch, wie ihre Gedanken blitzschnell von einem Thema zum nächsten sprangen. Es war faszinierend.« Alexander seufzte. »Sie wirkte immer glücklich, als wäre das Leben ein einziges Abenteuer; nichts konnte sie erschüttern. Wenn Lily etwas wollte, bekam sie es, weil alle ihrem Charme erlagen, ich eingeschlossen. Wenn sie dann doch einmal bedrückt war und aus heiterem Himmel zu weinen anfing, weil sie im Garten ein totes Kaninchen gefunden hatte, dachte ich, das sei ihrer Sensibilität zuzuschreiben. Erst als diese düsteren Stimmungen sich hinzuziehen begannen und die Momente des Glücks seltener wurden, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Einige Jahre später fing Lily an, ganze Tage im Bett zu verbringen. Sie sagte, sie sei zu erschöpft zum Aufstehen. Irgendwann tauchte sie dann plötzlich in einem ihrer schönsten Kleider und mit frisch gewaschenen Haaren wieder auf und bestand darauf, dass wir etwas Aufregendes unternahmen. Ihre Jagd nach dem Glück war manisch. Wenn sie sich in einer solchen Phase befand, sprühte sie vor Energie. Wir haben eine Menge miteinander erlebt. Lily kannte keine Grenzen, und ihr Überschwang war ansteckend.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Wenn sie so war, wünschte ich mir natürlich, dass die dunkle Seite nicht wiederkommen würde, aber sie kam wieder. In den folgenden Jahren folgte ein Stimmungsumschwung auf den anderen, und ich versuchte nur noch, mit ihren Launen Schritt zu halten. Schließlich …«, Alexander schüttelte traurig den Kopf, »… fiel sie in ein schwarzes Loch und tauchte monatelang nicht mehr auf. Sie weigerte sich, einen Arzt aufzusuchen. Als sie fast eine Woche lang nichts gegessen und getrunken hatte, rief ich unseren Hausarzt. Er gab ihr Beruhigungsmittel und wies sie ins Krankenhaus ein, wo man manische Depressionen und Schizophrenie diagnostizierte.«
»Oje, das muss eine schwere Zeit für Sie gewesen sein.«
»Für die Krankheit konnte sie nichts«, betonte Alexander. »Sie wurde dadurch verstärkt, dass Lily etwas Kindliches hatte und nicht verstand, was mit ihr los war. Als ich sie in die Anstalt bringen musste, brach es mir fast das Herz. Sie schrie, klammerte sich an mich und flehte mich an, sie nicht im Stich zu lassen. Zu dem Zeitpunkt stellte sie schon eine Gefahr für sich selbst dar und hatte mehrere Selbstmordversuche hinter sich. Außerdem hatte sie mich mehrmals tätlich mit Küchengeräten angegriffen, mit denen sie mich ernsthaft hätte verletzen können.«
»Wie schrecklich. Es wundert mich, dass unter diesen Umständen überhaupt ein Kind zustande kam«, sagte Grania.
»Aurora war für uns
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