Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Geständnis niemand hätte beweisen können, dass er die Morde begangen hatte. Das blutverschmierte Hemd hatten Magda und der Großvater in stummem Einverständnis verschwinden lassen. Im Nachhinein fragte sie sich, weshalb sie nicht sofort darauf gekommen war, dass es Utz und nicht Diether gehört hatte. Diether hatte ja gar keine Möglichkeit mehr gehabt, nach Hause zu laufen. Aber an Utz hatte eben auch dabei keiner von ihnen allen gedacht.
Für Außenstehende war Utz einfach einer der zahlreichen Toten, die beim Fischfang die Kraft des Flusses unterschätzt hatten und von der Strömung mitgerissen worden waren. Bruder Martinus stellte ohnehin keine Fragen, sondern öffnete der trauernden Familie die Tore. Sie hatten Utz auf dem Friedhof des Grauen Klosters in geweihter Erde begraben.
Thomas hatte mit ihr geweint und war bei ihr geblieben, bis sie wieder halbwegs auf den Füßen stehen konnte. Dann war er gegangen. Über die Stadt war das Interdikt verhängt worden, vor den Türen der Kirchen hingen schwere Siegel, und das Kloster brauchte jeden Mann.
»Pater Martinus war froh, dass du zurückgekommen bist, oder?«
»Ich hatte Angst, er wirft mich hochkant hinaus.«
»Aber das hat er nicht getan?«
»Nein.«
»Sag mal, muss ich dir jede Silbe aus der Nase ziehen? Jetzt mach schon den Mund auf – was hat er gesagt?«
»Du bist noch immer so stur wie ganz Brandenburg, oder?« Verlegen fuhr er sich mit der Hand ins Haar, und auf seinen Ohren bemerkte Magda eine Spur von Röte. »Er hat gesagt: Ich werde einen Mann nicht dafür bestrafen, dass er, um zu uns zu kommen, einen hohen Preis bezahlt. Und schon gar nicht dafür, dass er sich dabei das Herz bricht.«
Magda gab den Versuch, sich zu beherrschen, auf, setzte sich auf seine Knie und strich ihm über die Wange. »Dass du dir das Herz gebrochen hast, sollte mich freuen. Aber es tut mir weh.«
Er lächelte. »Muss es nicht. Wie kann man denn einen, der in seinem Herzen keine Bruchstellen hat, auf Menschen loslassen?«
Sie streichelte seine Wange noch einmal und dachte dasselbe wie vor Monaten, auf ihrem ersten Weg durch Berlin: Du wirst ein guter Mönch. Einer, der nicht wegschaut. Sie hatte sich auch das Herz gebrochen, aber sie hatte ihn gehen lassen müssen, weil die Stadt auf einen wie ihn nicht verzichten konnte.
»Wie geht es Diether?«, fragte Thomas. »Wie macht er sich als Vater?«
Vor genau vier Wochen hatte Gretlin einen wahren Brocken von einem Jungen zur Welt gebracht, der seither den Mittelpunkt des Haushalts darstellte. »Nun ja«, erwiderte Magda. »Ob er lieber Bäcker oder Brauer werden will, weiß er noch immer nicht so genau. Aber seinem kleinen Petter erzählt er Geschichten ohne Ende, und er singt ihn an jedem Abend in den Schlaf.«
»Wer kann das schon?«, bemerkte Thomas bewundernd. »Und du, mein Liebstes?«
Sie blickte eilig zur Seite. »Ich mache mich gar nicht als Vater.«
Er umfasste ihr Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich zurück und sah ihr fragend in die Augen. »Ich auch nicht, Magda?«
»Ich warne dich!«, rief sie. »Wenn es das ist, was du willst, wenn ich dich vor diesem letzten Schritt bewahren soll, brauchst du es nur zu sagen. Im Gegensatz zu dir kann ich nämlich lügen, mein Herr.«
Er küsste ihre Augen. »Das hättest du mir nicht verraten dürfen.«
Sie hatte es sich innig gewünscht und bis zum Schluss darauf gehofft. Die Welt war auch ein wenig untergegangen, als sie begreifen musste, dass sie kein Kind von ihm bekam, doch das verschwieg sie ihm. Jetzt war es gut so, wie es war. Sie würden ein jeder dorthin gehen, wo sie ihren Teil beitragen konnten, wo Menschen sie liebten und dringend brauchten.
»Ihr kommt zurecht?«
Magda nickte. »Bechtolt und sein Schwager betreiben im Marienviertel ihre Großbrauerei, aber uns berührt das kaum. Die Leute vom Olden Markt kommen lieber zu uns. Petter hat Caspar von der Rippe überredet, sich von uns beliefern zu lassen, und dein Vater, wenn er nächsten Monat umsiedelt, will unser Bier in sein Sortiment aufnehmen.«
»Und wer hilft dir? All die Arbeit kannst du doch nicht allein mit deinem Großvater bewältigen.«
»Hans vom Bader«, erwiderte Magda. »Er ist Gold wert. Wenn die Zunft uns ihr Einverständnis gibt, nehmen wir ihn als Lehrling auf. Der Großvater sagt allerdings, ich solle dich zurückholen. Der mag ja ein Kuttenträger sein, sagt er, aber trotzdem ist er ein Teufelskerl. Und Teufelskerl sagt er mindestens dreimal.«
Noch einmal zog sich jene
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