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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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längst nicht mehr wie ein alter Mann, sondern auf seine behäbige Weise sogar schön.
    Es würde so arg nicht kommen! Trotz des Brauverbots würden sie den Winter überstehen, Utz und Endres würden nicht fortgehen, und zu Weihnachten würde ihr kleiner Neffe oder ihre Nichte in der Wiege zappeln. Magda buk mit Alheyt Trockenbrot für die Fastenzeit des Advent und begann, sich auf die Zukunft zu freuen. Dann aber, genau zwei Wochen vor der Geburt des Herrn, hatte sie wieder einen Traum.

5
    Der Mann nahm noch einen langen Schluck aus seinem Krug, dann wischte er sich mit Hingabe den Schaum aus dem Bart und stellte das Gefäß zurück auf den Tisch. »Ausgezeichnet«, lobte er. »Eine Würze, die nicht im Nu verfliegt, eine Fülle, die in der Fastenzeit ordentlich nährt, und eine Bitterkeit, die verrät, dass Starkbier nichts für Weiber und Wickelkinder ist. Ihr könnt mit Recht stolz darauf sein.«
    »Meinen Dank«, sagte Utz bescheiden. »Ich selbst mache mir nichts aus Bier, aber mich freut, wenn es Euch schmeckt.«
    »Ihr macht Euch nichts aus Bier?« Sein Gast lachte auf. Sie saßen in der kleinen Schankstube, die dem Haus seitlich angebaut war und in die der Großvater Kunden zum Verkosten lud. »Dann seid Ihr so etwas wie das Gegenteil des zum Bock gemachten Gärtners, was? Zumindest müsst Ihr nie fürchten, dass Ihr Euch selbst die besten Fässer leer sauft.«
    Utz bemühte sich um ein höfliches Lächeln. »Nein, das wohl kaum. Euch aber schenke ich, wenn Ihr mögt, gern nach.«
    Sein Gast ließ sich nicht lange bitten, sondern hob ihm erwartungsfroh den Krug entgegen. »Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich mir das entgehen ließe.«
    Sorgfältig füllte Utz den Krug aus der Bierkanne nach, wobei er ihn schräg hielt und darauf achtete, dass das sämige Fastenbier samt seiner flockigen Hefe sich erst setzte und der Schaum sich festigte, ehe er mehr hinzugoss.
    »Sieh einer an«, bemerkte sein Gast und rieb sich den bemerkenswerten Wanst. »Für einen Mann, der sich aus Bier nichts macht, behandelt Ihr es allerdings mit Respekt. Das gefällt mir. Es flößt Vertrauen ein – jemand, der allem, was er tut, die nötige Aufmerksamkeit entgegenbringt.«
    Utz spürte, wie ihm Hitze in die Wangen stieg, und kam sich vor wie ein Mädchen. Heftig biss er sich auf die Lippen. »Das ist sehr freundlich von Euch. Ob ich dann wohl nachfragen dürfte, wie Ihr in meiner Sache …«
    »Und ob Ihr dürft«, fiel ihm der andere leutselig ins Wort. »Tatsächlich hatte ich gerade vor, dazu überzuleiten. In Eurer Sache, wie Ihr Euch ausdrückt, habe ich wahrhaftig das Gewünschte erreichen können.«
    »Ist das Euer Ernst?«
    »Das ist es, mein Bester. Ich habe Euer Anliegen der Versammlung der Gilde vorgetragen, und man ist bereit, Euch aufzunehmen, sofern Ihr Wohnsitz und Kontor nachweisen könnt, das Bürgerrecht erlangt und Euren Beitrag umgehend entrichtet. Wie Euch bekannt ist, benötigt Ihr zwei Bürgen. Den ersten habt Ihr in mir schon gefunden, und da er meinem Urteil vertraut, ist auch mein Schwager, der Herr Lebus, willens, die Bürgschaft für Euch zu leisten.«
    Ein kurzer Stich ließ Utz den Atem anhalten. Ausgerechnet Lebus würde für ihn bürgen, der gebrechliche Greis, an den Fronica gefesselt war. Diese Kleinigkeit aber sollte ihm jetzt die Freude nicht schmälern. Was Fronica betraf, so würde die Zeit schon ihre Arbeit für ihn tun. »Das ist großartig«, sprudelte er heraus.
    Sein Gast lächelte selbstzufrieden. »So war es gedacht, mein Bester. Was nun das Kontor betrifft, das Ihr von mir käuflich zu erwerben wünscht, so sind wir uns über den Preis ja längst einig und der Verkauf kann jederzeit abgewickelt werden. Wie Ihr seht, steht der Erfüllung Eures Wunsches nichts mehr im Wege. Über die Hohen Feiertage ruht natürlich jegliche Geschäftstätigkeit, doch zu Beginn des neuen Jahres könnte man Euch den Eid abnehmen. Fortan dürftet Ihr Euch mit Fug und Recht Mitglied der Berliner Kaufmannsgilde nennen.«
    Utz glaubte zu spüren, wie sein Herz einen Satz vollführte, genauso, wie es ihm erging, wenn er Fronica gegenüberstand. Er würde ein Mitglied der Gilde sein! Ohne diese Mitgliedschaft durfte sich kein Mann in Berlin als Kaufmann niederlassen, und das wollte Utz um jeden Preis: Nach Berlin gehen, ein Handelskontor erwerben, sich eine Zukunft schaffen, an die er glauben konnte. In einer Zeit der heillosen Unordnung würde die Gilde ihm Halt und Richtung schenken. Wer einer Gilde angehörte,

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