Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
unser Leben ist. Ich wünschte, ich hätte dir geholfen.«
»Hilf mir jetzt«, sagte Utz. »Gib mir das Geld für das Kontor und für den Beitritt in die Gilde, alles andere schaffe ich allein.«
»Glaub mir, wenn ich könnte, liefe ich jetzt sofort los, um dir das Geld zu holen«, erwiderte Lentz bedrückt. »Aber woher soll ich denn so viel nehmen? Ich bin ja froh, wenn ich nachher genug habe, um die Hebamme zu entlohnen.«
Wie auf ein Zeichen kamen Magda und die Hebamme um die Häuserecke gerannt, dass der frische Schnee vor ihren Leibern in die Höhe stob. Im Laufen winkte Magda ihnen zu. »Noch vor dem Abend bist du ein Vater, Lentz – und ich bin endlich Frau Tante Magdalen!«
»Die Mitgift von Alheyt …«, begann Utz leise, nachdem die Haustür hinter den Frauen ins Schloss gefallen war. »Es ist nur geliehen, das weißt du – ich zahle dir alles auf Heller und Pfennig zurück.«
»Natürlich weiß ich das«, versicherte ihm Lentz, »und Alheyt und ich, wir würden dir das Geld mit Freuden geben, aber es ist doch keines mehr da. Dass wir nicht brauen dürfen, Utz, schon den zweiten Winter nicht, das schlägt uns so hart, dass wir ohne Alheyts Mitgift klein beigeben müssten. Wir haben das Geld benutzt, um den Beitrag für die Zunft, die Steuer und den Zehnt zu begleichen, um Molke und Vorräte zu kaufen, Stoff für Kinderkleider, Arznei für Alheyt, all die kleinen und großen Dinge, die weiter bezahlt werden müssen, auch wenn kein Pfennig in die Kasse kommt.«
Utz wurde übel. »Ihr habt das gesamte Geld hinausgeworfen, um an dieser Brauerei festzuhalten, die im nächsten Winter ohnehin am Ende ist?« Was Lentz einwandte, hörte er nicht. In seinen Ohren rauschte das Blut. Jeden Augenblick konnte Bechtolt aus der Verkostung kommen und erklären, seine Geduld sei aufgebraucht, er müsse nach Berlin zurück, und als Käufer für sein Kontor werde er sich einen anderen suchen.
Mit äußerster Mühe riss Utz sich zusammen. »Nun schön«, sagte er. »In dem Fall bleibt mir nichts anderes übrig, als die Mitgift von Magda zu beleihen, die Großvater in der Truhe hortet. Du musst mich verstehen, Lentz. Ich habe jahrelang auf diese Möglichkeit gewartet. Nur dafür bin ich zu den Klosterbrüdern gerannt und habe mich schinden und erniedrigen lassen, nur dafür habe ich dieses Leben ertragen. Ich darf sie mir nicht entgehen lassen – sie kommt nur das eine Mal und dann gewiss nie wieder.«
»Magdas Mitgift?«, fragte Lentz und riss ungläubig die Augen auf. »Aber du kannst doch nicht Magdas Mitgift nehmen und sie für dich selbst verwenden!«
»Warum sollte ich das nicht können? Zu dir hat Großvater Vertrauen, dir wird er den Schlüssel nicht verweigern. Gib mir das Geld, Lentz, und in ein paar Jahren zahle ich es euch samt der Zinsen zurück.«
»Aber Magda kann doch nicht Jahre warten!«, rief Lentz entgeistert.
»Natürlich kann sie. Sie wird ja ohnehin ledig bleiben wie Barbara und bei dir und Alheyt wohnen. Sie ist ein kluges Mädchen, verständig, gut zu haben. Ich werde eine Weile brauchen, um mir einen Hausstand zu schaffen, doch wenn sie sich dann lieber mir anschließen möchte, stünde meine Tür ihr jederzeit offen.«
Jetzt lachte Lentz wahrhaftig auf. »Süßer Jesus, wo hast du denn deine Augen, Utz? Unsere kleine Schwester Magda ist das letzte Mädchen in Bernau, das ledig bliebe. Sie ist ja schon heute so gut wie vermählt, im Herzen sicher, nur Vertrag und Segen fehlen noch.«
»Was redest du denn? Mit wem soll Magda vermählt sein?«
»Na, mit unserem Endres doch – jeder Blinde könnte es den beiden ansehen, und du willst mir erzählen, du hast nichts davon gewusst?«
»Endres«, murmelte Utz sinnlos vor sich hin. Lentz hatte recht. Jeder Blinde hätte es den beiden angesehen – die heimlichen Blicke, die sich streifenden Hände, das verstohlene Lächeln und Flüstern. Seine kleine Schwester war verliebt, und er hatte nichts davon bemerkt. Gegen den Jungen war nichts zu sagen, er war fleißig, verlässlich und treuer als ein Hund. Nur Geld besaß er keines. Magda würde, wenn sie ihn heiraten wollte, eine Mitgift brauchen, und damit erklärte sich auch, weshalb der Großvater das Geld in der Truhe so eisern hütete. Er liebte Endres. Mehr als die Enkel, viel eher wie den Sohn, den er nie gehabt hatte. Und diesem geliebten Ziehsohn wollte er die Möglichkeit geben, sich etwas Eigenes aufzubauen.
Wie erschlagen starrte Utz in den Schnee, dessen glitzernde Kristalle vor
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