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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
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Augen der Frauen schienen tief und rätselhaft.
    Nisa Krit, das Gesicht an den flauschigen Jackenkragen Weda Kongs geschmiegt, widersprach lebhaft der Historikerin. Weda musterte mit leichter Verwunderung das ihr äußerlich so ähnliche Mädchen.
    »Mir scheint, das beste Geschenk, das eine Frau ihrem Geliebten machen kann, ist, ihn noch einmal zu schaffen und dadurch seine Existenz zu verlängern. Das kommt fast einer Unsterblichkeit gleich!«
    »Was uns betrifft, sind die Männer da anderer Meinung«, antwortete Weda. »Mir sagte einmal Dar Weter, er möchte keine Tochter haben, die der Geliebten ähnlich sei — ihm falle der Gedanke schwer, aus der Welt zu gehen und sie allein zu lassen, ohne seine Liebe und Zärtlichkeit. Das sind Rudimente der Eifersucht und des Beschützenwollens!«
    »Auch für mich ist der Gedanke an eine Trennung von diesem kleinen Wesen, das mein Fleisch und Blut ist, unerträglich«, fuhr Nisa unbeirrt fort. »Es fast von der Brust weg zur Erziehung zu geben . . .«
    »Ich verstehe Sie, bin aber nicht Ihrer Meinung«, antwortete Weda finster, als habe das Mädchen eine empfindliche Stelle berührt. »Eine der größten Aufgaben der Menschheit ist der Sieg über den blinden mütterlichen Instinkt. Nur eine kollektive Erziehung der Kinder durch besonders vorgebildete und ausgewählte Personen kann den Menschen unserer Gesellschaft formen. In unserer Epoche gibt es nicht mehr die frühere, beinahe unvernünftige Mutterliebe. Jede Mutter weiß, daß alle Menschen zu ihrem Kind zärtlich sind, daß ihm keine Gefahr droht wie früher. Die instinktive Liebe, aus der animalischen Angst um das Kind geboren, existiert heute nicht mehr.«
    »Ich begreife das alles«, sagte Nisa; »aber nur verstandesmäßig.«
    »Ich sehe das größte Glück darin, einem anderen Wesen Freude zu bereiten. Das ist heute jedem Menschen jeden Alters möglich, nicht nur den Eltern, Großeltern und besonders den Müttern, wie es in früheren Gesellschaftsordnungen war. Weshalb unbedingt bei dem Kleinen sein? Auch das ist ein Überbleibsel jener Zeiten, als die Frauen gezwungenermaßen nicht immer mit dem geliebten Menschen zusammen sein konnten. In unserer Ära werden sie zusammen sein, solange sie einander lieben.«
    »Aber sicherlich hätte ich oft den Wunsch, das ihm ähnelnde, winzige Wesen neben mir zu haben, die Hände zusammenzupressen und . . . Ach, ich weiß gar nichts . . .«
    »Es gibt die Insel der Mütter — Java. Dort leben die, die ihr Kind selbst erziehen wollen.«
    »O nein! Ich könnte auch nicht Erzieherin werden wie manche, die besonders kinderlieb sind. Ich fühle soviel Kraft in mir, und außerdem war ich schon einmal im Kosmos.«
    Weda wurde weicher gestimmt.
    »Sie sind die personifizierte Jugend, Nisa, nicht nur äußerlich. Wenn Sie im Leben auf Widersprüche stoßen, verstehen Sie nicht — wie alle jungen Menschen —, daß eben diese Widersprüche das wahre Leben ausmachen. Liebe bringt zwangsläufig Aufregungen, Kummer und Sorgen mit sich, und zwar um so mehr, je größer sie ist. Sie aber meinen, wenn das Leben einmal hart zuschlägt, sei gleich alles verloren.«
    Bei den letzten Worten kam Weda plötzlich ein neuer Gedanke. Nein, Nisas Jugend war nicht der einzige Grund für ihre Unruhe.
    Weda hatte wie viele Menschen angenommen, die psychischen Verletzungen heilten gleichzeitig mit den körperlichen. Aber weit gefehlt! Noch lange Zeit können die seelischen Wunden in dem gesunden Körper unbemerkt fortdauern. Und plötzlich, mitunter aus einem ganz unbedeutenden Anlaß, brechen sie wieder auf. So war es auch beiNisa: fünf Jahre Lähmung, die sie bewußtlos gemacht, sich aber allen Zellen ihres Körpers eingeprägt hatte, ebenso wie das Entsetzen über die Begegnung mit dem schrecklichen Kreuz, das Erg Noor fast getötet hätte.
    Nisa ahnte Wedas Gedanken und sagte dumpf: »Seit den Ereignissen auf dem Eisenstern werde ich ein eigenartiges Gefühl nicht mehr los. Ich spüre in mir eine beängstigende Leere. Sie existiert unabhängig von meiner selbstbewußten Freude und Kraft, schließt sie nicht aus, aber weicht auch nicht. Und ich kann diese Leere nur überwinden, wenn ich mich zusammennehme und mich ihr nicht überlasse. Jetzt weiß ich, wie einem einsamen Menschen im Kosmos zumute ist, und empfinde noch größere Achtung vor den ersten Helden der Astronautik.«
    »Ich glaube, ich verstehe Sie«, antwortete Weda. »Für kurze Zeit lebte ich auf einer der winzigen Inseln

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