Das Mädchen aus dem All
Polynesiens mitten im Ozean. Da überfällt einen in Stunden der Einsamkeit angesichts des Meeres unendliche Melancholie. Und wenn man dann ein Schiff entdeckt, fern am Horizont, erscheint einem die unermeßliche Weite des Ozeans völlig verändert. Ein paar Kameraden und ein Schiff — das ist bereits eine Welt für sich, die erreichbaren und ihr botmäßigen Fernen zustrebt. Genauso ist es mit dem Schiff des Kosmos, dem Sternschiff. Dort sind Sie mit starken und kühnen Kameraden zusammen. Aber das Einsamkeitsgefühl . . .« Weda schauderte. »Kaum ein Mensch ist imstande, es zu ertragen.«
»Wie recht Sie haben, Weda! Darum will ich ja auch alles auf einmal!«
»Sie, sind mir lieb geworden, Nisa. Jetzt kommt mir Ihr Entschluß verständlicher vor, erst hielt ich ihn für sehr unvernünftig.«
Nisa drückte Weda stumm die Hand.
»Aber werden Sie das auch durchhalten, Nisa? Es ist ja so unvorstellbar schwer.«
»Was ist denn so schwer, Weda?« fragte Erg Noor, der die letzten Worte gehört hatte. »Haben Sie sich mit Dar Weter abgesprochen? Seit einer halben Stunde schon versucht er mich zu überzeugen, daß ich lieber der Jugend meine Erfahrungen als Astronaut vermitteln und nicht eine Reise antreten soll, von der man nicht zurückkehrt.«
»Hat er Sie überzeugen können?«
»Nein. Meine Erfahrungen in der Astronautik sind jetzt notwendiger, um die ›Lebed‹ zum Ziel zu führen, dorthin« — Erg Noor wies zum sternenlosen Himmel, wo sich der Achernar befinden mußte —, »auf einer Bahn, die noch von keinem anderen Sternschiff beflogen wurde.«
Die vier hatten den Ozean erreicht. Ein kalter Strom ging von ihm aus. In breiten Wellen wälzte sich die schwere Dünung auf das sanft ansteigende Ufer. Weda Kong blickte neugierig auf das stahlgraue Wasser, das mit zunehmender Tiefe dunkler wurde und unter den Strahlen der nur wenig über dem Horizont aufsteigenden Sonne wie Eis aussah.
Nisa stand neben ihr in einem hellblauen Pelzmantel und gleichfarbener Kappe, unter der das dichte tizianrote Haar hervorquoll. Dar Weter genoß unwillkürlich dieses Bild.
»Gefällt Ihnen Nisa?« fragte Weda fröhlich.
»Wem könnte sie nicht gefallen?«
»Je besser ich Sie kennenlerne«, flüsterte Weda Nisa zu, »um so mehr bin ich davon überzeugt, daß sich Erg Noor in seiner Wahl nicht geirrt hat. Sie werden ihn wie keine andere in schweren Stunden aufmuntern, erfreuen, umsorgen können.«
Nisas blasse Wangen röteten sich.
Beim Frühstück auf der hohen windumtosten Kristallterrasse begegnete Weda mehrmals dem nachdenklichen und zärtlichen Blick des Mädchens. Alle vier schwiegen.
»Es ist bitter, wenn man sich von Menschen gleich wieder trennen muß, denen man gerade erst begegnet ist«, meinte plötzlich Dar Weter.
»Vielleicht können Sie . . .«, begann Erg Noor.
»Mein Urlaub ist zu Ende. Grom Orm erwartet mich.«
»Auch ich muß fort«, fügte Weda hinzu. »Ich werde tief unter die Erdoberfläche hinuntersteigen — in eine kürzlich entdeckte Höhle, die in der Ära der Partikularistischen Welt zu einer Art Schatzkammer ausgebaut wurde.«
»Die ›Lebed‹ wird Mitte nächsten Jahres fertig sein, in sechs Wochen beginnen wir mit den Vorbereitungen«, sagte Erg Noor leise. »Wer leitet jetzt die Außenstationen?«
»Zur Zeit Yuni Ant, doch er will sich nicht für immer von seinen Gedächtnismaschinen trennen. Der Rat hat aber die Kandidatur von Emb Ong, dem Physiker und Ingenieur von der F-Station auf Labrador, noch nicht bestätigt.«
»Ihn kenne ich nicht.«
»An der ›Akademie der Grenzen des Wissens‹ beschäftigt er sich mit Fragen der Megawellenmechanik und ist daher in der Öffentlichkeit wenig bekannt.«
»Was ist das?«
»Das sind die mächtigen Rhythmen des Kosmos, gigantische Wellen, die sich nur langsam im Weltraum ausbreiten. Sie sind zum Beispiel Ausdruck der bei Lichtgeschwindigkeiten entgegengesetzter Richtung auftretenden Widersprüche, die relative Werte jenseits der absoluten Einheit ergeben. Aber das ist noch ein weites Feld.«
»Und Mwen Mass?«
»Schreibt ein Buch über die Emotionen. Auch er hat wenig Zeit für seine persönlichen Belange — die ›Akademie für Stochastik und Vorhersage der Zukunft‹ hat ihn zum Konsultanten für den Flug Ihrer ›Lebed‹ ernannt. Sobald das Material beisammen ist, wird er sich erst einmal von seinem Buch trennen müssen.«
»Schade! So ein wichtiges Thema. Es wird Zeit, daß wir die Emotionen in ihrer ganzen Realität und
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