Das Mädchen aus dem All
Trostlosigkeit leuchteten steinerne oder sandige Weiten unter roten, blauen, violetten oder gelben Sonnen. Die Strahlen einer merkwürdig bleigrauen Sonne hatten auf ihren Planeten kuppel- und spiralförmige Lebewesen erzeugt, die Medusen gleich in einer orangefarbenen Atmosphäre oder in einem Ozean schwammen. In der Welt einer roten Sonne wuchsen unvorstellbar hohe Bäume mit schlüpfrig schwarzer Rinde. Sie reckten wie in auswegloser Verzweiflung Myriaden krummer Zweige in die Höhe. Andere Planeten waren dagegen völlig von dunklem, trübem Wasser überflutet. Auf der ruhigen Wasserfläche schwammen riesige Inseln aus Tieren oder Pflanzen, die unzählige wollige Fühler regten.
»In ihrer Nähe gibt es keine Planeten mit höheren Lebensformen«, sagte plötzlich Yuni Ant, der unverwandt die Bilder des unbekannten Sternenhimmels verfolgt hatte.
»Doch«, widersprach Dar Weter, »nicht weit von ihnen liegt ein flaches Sternsystem, einer der letzten Ausläufer der Galaxis. Wir wissen aber, daß flache und sphärische Systeme, neue und alte, einander nicht selten ablösen. Zum Sternbild des Eridanus zu existiert ein System mit denkenden Lebewesen, das zum Ring gehört.«
»WWR-4955 + MD 3529 und so weiter«, warf Mwen Mass ein. »Weshalb wissen sie aber nichts davon?«
»Das System hat sich vor zweihundertfünfundsiebzig Jahren dem Großen Ring angeschlossen, und dieser Bericht ist schon vor dieser Zeit gesendet worden«, antwortete Dar Weter. Das rothäutige Mädchen aus der fernen Welt streifte die kleine blaue Kugel vom Finger und wandte sich mit ausgebreiteten Armen den Zuschauern zu, als wollte sie jemand umarmen. Sie bog Kopf und Schultern leicht zurück. Die halbgeöffneten Lippen bewegten sich, formten unhörbare Worte. So erstarrte sie, währendsie ihren flammenden Appell an die Mitmenschen, die denkenden Wesen anderer Welten, in die eisige Finsternis des Kosmos hinausschleuderte.
Und wieder nahm ihre strahlende Schönheit die Menschen gefangen. Auf ihrem Antlitz lag nicht die gemeißelte bronzene Strenge der rothäutigen Erdenbewohner; das runde Gesicht mit der kleinen Nase, den großen, weit auseinanderstehenden blauen Augen und dem kleinen Mund erinnerte eher an die nördlichen Völker der Erde. Auch das schwarze wellige Haar war nicht hart und strähnig. Jede Linie des ebenmäßigen Gesichts und Körpers drückte beschwingte Zuversicht aus.
»Sollten sie wirklich vom Großen Ring nichts wissen?« flüsterte Weda Kong, völlig gebannt von der Anmut ihrer schönen Schwester aus dem Kosmos.
»Jetzt wissen sie sicherlich davon«, gab Dar Weter zurück. »Denn das, was wir heute sehen, geschah vor dreihundert Jahren.«
»Achtundachtzig Parsek«, brummte Mwen Mass mit tiefer Stimme. »Achtundachtzig. Alle, die wir gesehen haben, sind längst tot!«
Und wie zur Bestätigung seiner Worte verschwand das Bild aus der wunderbaren Welt, erlosch auch das magische Auge, das die Verbindung anzeigte. Die Sendung über den Großen Ring war beendet.
Eine Weile saßen alle wie versteinert. Als erster faßte sich Dar Weter. Verdrossen biß er sich auf die Lippen und schaltete hastig die Geräte aus. Bevor die Säule der gelenkten Energie abgeschaltet wurde, ertönte ein tiefes, ehernes Dröhnen, das die Ingenieure der Kraftwerke aufforderte, den mächtigen Strom wieder in seine altgewohnten Kanäle zurückzuleiten. Erst nachdem Dar Weter alle Operationen ausgeführt hatte, wandte er sich seinen Gefährten zu.
Mit hochgezogenen Brauen überflog Yuni Ant die engbeschriebenen Blätter.
»Die Aufzeichnungen von der Sternkarte an der Saaldecke müssen sofort ins ›Institut für den südlichen Sternenhimmel‹ geschickt werden!« erklärte er Dar Weters jungem Assistenten.
Der blickte Yuni verwundert an, als erwache er soeben aus einem ungewöhnlichen Traum.
Der strenge Gelehrte unterdrückte ein Lächeln — glich das Ganze nicht tatsächlich einem Traum von einer wunderschönen Welt? Einem Traum, den jetzt, nach drei Jahrhunderten, Milliarden von Menschen auf der Erde und in den Stationen des Mondes, des Mars und der Venus deutlich sehen würden.
»Sie hatten recht, Mwen Mass«, sagte Dar Weter lächelnd, »als Sie vor Beginn der Sendung erklärten, heute werde etwas Besonderes geschehen. Zum erstenmal in vierhundert Jahren, seit Bestehen des Großen Rings, empfingen wir aus dem Weltall das Bild eines Planeten, dessen Bewohner nicht nur dem Verstand, sondern auch der Körperbildung nach unsere Brüder sind.
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