Das Mädchen aus dem All
und Ökonomie, und die vereinfachten Vorstellungen von der Natur und der gesellschaftlichen Entwicklung verschwanden für immer.«
Die Jungen lauschten regungslos.
»Wem kommt nun die entscheidende Rolle in diesem Gesellschaftsgefüge zu?« wandte sich Weda an den Verehrer großer Persönlichkeiten. Der schwieg verlegen, doch der semmelblonde Junge kam ihm zu Hilfe.
»Der Weiterentwicklung!« erklärte er kühn, und Weda war begeistert.
»Einen Preis für die ausgezeichnete Antwort!« rief sie lachend und löste von ihrer linken Schulter eine Emaillespange, auf der ein weißer Albatros über blauem Meer abgebildet war. Sie reichte die Brosche dem Jungen. Als sie sein Zögern bemerkte, sagte sie nachdrücklich: »Zur Erinnerung an unser heutiges Gespräch und an die Weiterentwicklung!«
Da nahm der Junge den Albatros.
Die Spange war ein Geschenk Erg Noors gewesen. In dem plötzlichen Bedürfnis, sie weiterzuschenken, kam vieles zum Ausdruck, unter anderem der Wunsch, alles Frühere, das bereits Vergangenheit war, abzustreifen.
Alle Einwohner des Schulstädtchens hatten sich in dem runden Saal im Zentrum des Gebäudes versammelt. Ewda Nal, im schwarzen Kleid, stieg auf das von oben angestrahlte Podium und ließ ihren Blick ruhig über die Reihen des Amphitheaters gleiten.
Die Versammelten verstummten, um der leisen klaren Stimme zu lauschen. Lautsprecher wurden nur noch bei Sicherheitsanlagen verwendet. Seitdem man Televisiofone hatte, wurden auch keine großen Auditorien mehr benötigt.
»Siebzehn Jahre — damit beginnt ein neuer Lebensabschnitt! Bald werdet ihr in der Versammlung des irischen Bezirks die traditionellen Worte sprechen: Ihr, die Älteren, deren Ruf zur Arbeit ich folge, nehmt mein Können und Wollen, nehmt meine Arbeit und lehrt mich Tag und Nacht. Reicht mir eure helfende Hand, denn der Weg ist schwer. Ich werde euch folgen. — In dieser alten Formel wird so manches zwischen den Zeilen gesagt, wovon ich heute zu euch sprechen möchte.
Von Kindheit an lehrt man euch die Dialektik, die in den Büchern der Antike ›Geheimnis des Gegensätzlichen‹ genannt wurde. Nur ›Eingeweihte‹, geistig und moralisch hochstehende Menschen — so glaubte man —, könnten sie beherrschen. Heute lernt ihr von frühester Jugend an die Welt durch die Gesetze der Dialektik begreifen. Ihr wurdet in einer wohlorganisierten Gesellschaftsordnung geboren, die vonvielen Generationen, von Milliarden unbekannter arbeitsamer Menschen geschaffen wurde.
Die Erziehung des neuen Menschen aber ist eine komplizierte Arbeit, sie erfordert individuelle Untersuchungen und Fingerspitzengefühl. Die Gesellschaft gibt sich nicht mehr mit Menschen zufrieden, deren Erziehung mehr oder weniger dem Zufall überlassen war, und deren Charakterschwächen mit der naturgegebenen Erbmasse entschuldigt wurden. Jeder schlecht erzogene Mensch ist eine Schande für die ganze Gesellschaft, ein Beweis für Fehler des Kollektivs.
Ihr aber, die ihr euch noch nicht von der Egozentrik der Jugend befreit habt, sollt stets bedenken, wieviel von euch selbst abhängt. Es gibt viele Wege, die ihr wählen könnt, doch da ihr frei entscheidet, tragt ihr auch die Verantwortung für eure Entscheidung. Der Traum des unzivilisierten Menschen von der Rückkehr zur Natur, von der Freiheit der Urgesellschaft ist längst verflogen. Die Menschheit stand vor der Wahl zwischen gesellschaftlicher Disziplin, lang währender Erziehung und Bildung oder Untergang. Die bedauernswerten Philosophen, die die Rückkehr zur Natur predigten, verstanden und liebten die Natur nicht wirklich, sonst hätten sie gewußt, wie grausam und unerbittlich sie ist und daß sie alles vernichtet, was sich ihren Gesetzen nicht beugt.
Der Mensch der neuen Gesellschaft erkannte die Notwendigkeit, sein Wünschen, Wollen und Denken einer Disziplin zu unterwerfen. Die Erziehung des Geistes und des Willens ist für jeden von uns ebenso obligatorisch wie die Erziehung des Körpers. Das Studium der Gesetzmäßigkeiten in Natur und Gesellschaft sowie in der Ökonomie löste die individuelle zielstrebige Wissensaneignung ab. Wenn wir sagen ›Ich will‹, so meinen wir damit ›Ich weiß, daß es möglich ist‹.
Bereits vor Jahrtausenden sagten die Griechen: ›Metron ariston‹, das heißt: Das Maß ist das Höchste. Und wir fügen heute hinzu: Grundlage der Kultur ist, in allem das rechte Maß zu kennen.
In dem Grad, wie das kulturelle Niveau stieg, verringerte sich das Streben nach dem
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