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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
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Einteilung invier Altersgruppen sind die Altersunterschiede recht zusammengeschrumpft, aber eine endgültige Lösung ist das auch noch nicht. Doch unterhalten wir uns erst einmal über deine Wünsche und Absichten. Ich muß sicher eine Vorlesung vor euch allen halten — vielleicht klären sich deine Fragen dann ganz von selbst.«
    Rea vertraute der Mutter ihre geheimsten Gedanken mit dem offenherzigen Vertrauen eines Kindes an, das in der Ära des Großen Rings groß geworden ist und nie kränkenden Spott oder Unverständnis kennengelernt hat. Mit dem siebzehnten Lebensjahr war für sie die Schulzeit beendet. Dann schloß sich die dreijährige Periode der Herkulestaten an, in der sie bereits im Kreise Erwachsener arbeitete. Erst danach wurde endgültig über Neigungen und Fähigkeiten entschieden. Mit der zweijährigen Hochschulausbildung erwarb sie dann das Recht, selbständig auf dem gewählten Fachgebiet zu arbeiten. Während seines langen Lebens fand der Mensch genügend Zeit, sich Hochschulbildung für fünf, sechs Fachgebiete anzueignen, denn er wechselte ja mehrmals seine Arbeit. Von der Wahl der ersten schwierigen Tätigkeit aber — der Herkulestaten — hing sehr viel ab. Deshalb wurden sie erst nach gründlicher Überlegung ausgewählt und nie, ohne einen Erwachsenen zu konsultieren.
    »Habt ihr schon die psychologischen Abschlußtests hinter euch?« fragte Ewda.
    »Ja. Zwanzig bis vierundzwanzig habe ich in den ersten acht Gruppen, achtzehn und neunzehn in der zehnten und dreizehnten Gruppe und siebzehn sogar in der siebzehnten Gruppe!« verkündete Rea stolz.
    »Das ist ja prachtvoll!« rief Ewda erfreut. »Da stehen dir ja alle Türen offen. Hast du dir das mit deiner ersten Herkulestat auch nicht noch anders überlegt?«
    »Nein. Ich werde bestimmt Krankenschwester auf der Insel des Vergessens. Anschließend will unsere ganze Arbeitsgemeinschaft, deren Vorbild du bist, in einer psychologischen Klinik auf Jütland arbeiten.«
    Ewda machte ein paar scherzhafte Bemerkungen über die eifrigen Psychologen, doch Rea bat die Mutter, Mentor aller Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft zu werden; sie alle standen ebenfalls vor der Wahl ihrer Herkulestaten.
    »Ich sehe schon, ich werde meinen ganzen Urlaub hier verbringen müssen«, sagte Ewda lachend. »Was aber soll Weda Kong machen?«
    Rea hatte die Begleiterin ihrer Mutter schon ganz vergessen. »Sie ist sehr nett«, sagte sie ernst, »und fast so hübsch wie du!«
    »Viel hübscher!«
    »Nein, ich weiß es besser«, beharrte Rea. »Und ich sage es nicht etwa, weil du meine Mutter bist.«
    »Jetzt aber Schluß mit den Schmeicheleien, mein Kind! Die Zeit drängt.«
     
    Weda Kong wanderte die Allee entlang, immer tiefer in den kleinen Ahornwald hinein. Die feuchten, breiten Blätter rauschten leise. Über die nahe gelegene Wiese zogen schemenhaft abendliche Nebelschwaden. Weda Kong genoß die bewegte Stille der Natur und dachte, wie günstig die Schulen doch immer gelegen seien. Bei der Erziehung war eines der wichtigsten Dinge, den Kindern die Natur nahezubringen, Achtung und Liebe ihr gegenüber zu wecken. Hatte der Mensch keinen Blick mehr für die Natur, war das gleichzusetzen mit einem Stillstand in seiner Entwicklung; denn nicht mehr beobachten heißt nicht mehr verallgemeinern können. Weda dachte an die Kunst zu lehren, diese überaus wertvolle Fähigkeit in einer Epoche, in der man endlich begriffen hatte, daß die Bildung auch Erziehung sein muß, wenn sie ein Kind auf seinen schweren Lebensweg vorbereiten soll. Gewiß, die angeborenen Eigenschaften bilden die Grundlage, aber ohne die behutsame Formung des menschlichen Charakters durch einen Lehrer können sie nutzlos bleiben.
    Die Historikerin dachte an die Zeit, da sie selbst ein junges Mädchen der dritten Altersgruppe voller innerer Widersprüche war. Sie hatte von Selbstaufopferung geträumtund gleichzeitig alles nur von ihrem Standpunkt aus, mit der gesunden Egozentrik der Jugend, beurteilt. Was hatten ihre Lehrer damals geleistet!
    In den Händen des Lehrers liegt die Zukunft des Schülers; dank seinen Bemühungen wird der Jugendliche befähigt, die schwierigste Aufgabe zu meistern: sich selbst zu überwinden, seinen Egoismus und seine zügellosen Wünsche zu bezwingen.
    Ganz in der Nähe hörte Weda Stimmen. Sie ging ihnen nach, kam bald zu einem kleinen, von Kiefern eingeschlossenen See, wo etwa zehn Jungen, mit Kunststoffschürzen angetan, sich mit Beilen an einem langen Eichenstamm zu

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