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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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sie da, um Norgal zu zerstören?«, erkundigte sich Froh und änderte seine Strategie. Er grub die Daumen tief in die Ohren, um den Lärm zu vertreiben. Das funktionierte etwas besser, führte aber dazu, dass er Chita nun nicht mehr verstehen konnte, was ihm zwar längst egal war, aber unanständig wirkte. Da Streit das Letzte war, was seine Nerven jetzt noch verkraften könnten, nahm er die Finger stöhnend wieder aus den Ohren.
    »Natürlich nicht«, verneinte Chita. »Es waren Schiffe meines Vaters. Und sie hatten in Norgal angelegt, weil dies der Hafen ist, der Montania am nächsten ist. Sie sammelten sich schon jetzt zum Angriff auf Gormo, oder zumindest, um ihn zu beeindrucken, und das erschreckte mich sehr.
    Natürlich war auch mir daran gelegen, dass man Rossa wieder freiließ, und ich glaube, ich hätte schlimmstenfalls auch erwogen, militärischen Druck auszuüben. Aber ich fand schon damals, dass mein Vater wenigstens ein einziges Mal das persönliche Gespräch mit dem Faro von Montania hätte suchen sollen. Und heute weiß ich sogar, dass Gormo durchaus ein Mann ist, mit dem man reden und verhandeln kann. Sofern man dabei fair bleibt.«
    »Wolltest du nicht mit dem bärtigen Mann reden, der vorhin in unserer Hütte war?«, versuchte Froh das Thema zu wechseln. Abgesehen davon, dass er zu viel von dem, was Chita sagte, nicht verstand, und davon, dass er das, was er verstand, längst nicht mehr hören wollte, konnte er ihre Stimme – so klar und hell sie auch war – langsam einfach nicht mehr hören. Hätte er es sich aussuchen können, hätte er überhaupt nichts mehr hören wollen. Am liebsten wäre er zurück zu der Insel geschwommen, zu der sie die Delfine gebracht hatten, um wieder ganz allein mit sich, dem Meer und den Göttern zu sein, falls es sie denn doch gab, an Niedlich zu denken und abzuwarten, was Ivi und die anderen oder das Große Nichts, an das Chita glaubte, für seine sündige Seele bereithielten. Selbst Vulkas Höhle konnte kaum schlimmer sein als dieses kalte, harte, tote, lärmende, mit blitzenden fremdartigen Dingen gespickte, menschengemachte Ungeheuer, auf das Chita ihn entführt hatte. Und das Nichts schon gar nicht, versuchte er sich zu beruhigen.
    Aber er hatte keine Wahl, denn die kleine Felseninsel und der Maulbeerbaum lagen längst unendlich weit hinter ihnen. Das metallische Ungetüm mit all den schrecklichen Gravuren auf den Wänden, die bloß Morde und Kriege und hässliche weiße Männer zeigten, spaltete die Wellen in einem Tempo, das ihn selbst im Sitzen schwindeln ließ. Wenn er in Fahrtrichtung blickte, hatte er das Gefühl, dass der Gegenwind ihm gleich die Nase in den Schädel stanzen würde, sodass er seinen eigenen Hintern beschnuppern könnte. Und wenn er seitlich zum Rumpf saß, so wie jetzt, war es, als wollte der Druck ihm die Zunge durchs linke Ohr pressen. Es war grausam, und Froh erwog, vom Schiff zu springen, sobald Chita das nächste Mal abgelenkt war. Dass er zu schwach war, um auch nur zwanzig Züge in der schäumenden See zu tun, war ihm bewusst. Aber wenn Ivi wollte, dass er lebte, dann würde er wieder einen Delfin schicken. Und wenn er es nicht wollte oder nicht existierte, dann sollte es eben so sein. Wenigstens bestand wieder Hoffnung, dass Niedlich die Welle überlebt hatte.
    »Ich langweile dich, nicht wahr?«, schloss Chita aus seiner Frage. Sie klang beleidigt und sah auch so aus. Aber nur kurz; dann flackerte etwas in ihren Augen auf, und ehe sich Froh für eine diplomatische Antwort entscheiden konnte, glitten ihre Mundwinkel wieder nach oben. »Ach, natürlich!«, strahlte sie. »Ich hatte ja versprochen, dir das Schiff zu zeigen. Du willst wissen, wie und woraus das alles gebaut wurde, wer es wie steuert, was es antreibt und das alles … Verständlich.«
    Sie nickte ihm zu, während sie sich erhob und ihn einfach mit sich zog – oder zu ziehen versuchte. Obwohl er längst nur noch ein Schatten seiner selbst war, war Froh viel zu schwer für sie. Darum fühlte es sich an, als versuchte sie ihm den Arm aus der Schulter zu reißen, ehe er verzögert reagierte und sich auf die sichtlich zittrigen Beine erhob.
    »Das alles muss unglaublich aufregend für dich sein, und du hast bestimmt eine Menge Fragen«, stellte Chita fest und lotste ihn mit festem Griff ums Armgelenk in Richtung der großen, silbernen Hütte, die weiter vorne aus der metallischen Ebene ragte. »Aber du hast Glück: Ich kann dir das meiste hier selbst erklären. Und nach

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