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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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Weshalb hatten ausgerechnet er und seine Mannschaft überlebt, während ganz Cypria so viele Meter tief unter Wasser lag, dass selbst der beste Taucher mit Luftsack und Unterwasserhelm es nicht mehr erreichen könnte? Warum ausgerechnet Cypria, während die Welt der Primitiven wenigstens zu Teilen erhalten geblieben war?
    Die Antwort war ebenso einfach wie unbefriedigend: Nirgendwo sonst auf der Welt war das Land so eben gewesen wie in Cypria. Große Teile hatten sogar unter dem Meeresspiegel gelegen, wie schwere Suppenschalen, die in einem Bottich trieben. Und die mindestens vierzig Mannslängen messende Welle hatte sich nicht etwa mühselig über die Erdenkugel gewälzt, um alles, was sich ihr in den Weg stellte, zu zertrümmern und sich dann schnaubend und schäumend wieder zurückzuziehen, sondern um zu bleiben.
    Wo kam bloß all dieses Wasser her?
    In den vergangenen Jahren hatten sie mit zahlreichen Wetterextremen zurechtkommen müssen, auch mit lang anhaltenden Phasen außergewöhnlich heftiger Regenfälle. Doch das Wasser war Teil eines Kreislaufs. Es kam und schwand in unregelmäßigen Abständen, weil es in einem Teil der Welt verdunstete und in einem anderen vom Himmel fiel, aber es blieb immer die gleiche Gesamtmenge. Es wurde nie mehr oder weniger.
    Jetzt aber gab es eindeutig mehr Meer. Viel, viel mehr Meer …
    Kapitän Barrum wusste noch immer nicht, wie sie diese Well e eigentlich überstanden hatten. Er war in seiner Navigationsk ajüte umhergeschleudert worden wie ein Spielball. Dabei hat te er sich den Kopf gestoßen und das Bewusstsein verloren, und als er wieder erwacht war, war sein Mani auf einer Welle herumgeschaukelt, die die ganze Welt vor ihm zu vernichten schien. Nur mühsam hatte er sich von dem entsetzlichen Anblick der Ertrinkenden und Ertrunkenen losreißen und wieder seinen Aufgaben zuwenden können. Leichen, Trümmer, Kadaver und undefinierbare schwarze Schlacke voller Relikte einer verlorenen Zivilisation überall …
    In jeder Sekunde, in der er sich nicht voll und ganz auf irgendetwas anderes konzentrierte, kehrten die Bilder zurück und züngelten wie heiße Flammen um sein Herz und seine Seele. Und immer wieder dieselben Fragen, allen voran natürlich diese eine: Wie war das möglich?
    Der Pilot des Manas hatte behauptet, der nördliche Pol sei so gut wie verschwunden. Kaum ein Drittel des Eises triebe noch dort oben – wenn überhaupt. Der Kapitän weigerte sich, dem Mann zu glauben. Es sprengte einfach sein Vorstellungsvermögen, dass sich eine meterdicke Eisdecke, mehrfach größer als der cyprische Kontinent einschließlich all seiner Inseln, von einem Moment auf den anderen auflöste, als hätte jemand einen Flammenwerfer vom Format Jamas darauf abgefeuert. Aber eine bessere Erklärung war ihm bislang noch nicht eingefallen, und im Moment fehlten ihm – vielleicht zum Glück – die Zeit und die innere Ruhe, um sich weiter mit dieser Frage zu beschäftigen.
    Apropos Ruhe: Jamachita redete immer noch, was ihn zunehmend störte, zumal sie sich der Sprache ihres dunklen Freundes bediente und er kein Wort verstand. Barrum war sich sicher, dass die Kleine das Ausmaß des Schreckens, der über sie alle hereingebrochen war, längst noch nicht überblickte. Wäre es so, würde sie nicht unentwegt reden, sondern bloß ab und zu eine Frage stellen und den Antworten voller Entsetzen lauschen. Sie stand noch immer unter Schock, aber ihr geistiges Wohlbefinden musste warten. Zunächst galt es, ihrer aller Leben – die Leben der vielleicht letzten Cyprier – zu retten.
    »Es könnte ein Asteroid gewesen sein«, murmelte sein Novize zu seiner Linken nachdenklich.
    »Ein Asteroid?« Chita erhob sich von der Stufe vor dem Ausgang und schob sich zwischen Barrum und den Navigationsnovizen. »Unmöglich«, behauptete sie im Brustton der Überzeugung. »Einen Asteroiden, der so gigantisch ist oder so dicht an der Küste Montanias einschlägt, dass er eine derart verheerende Welle auslöst, hätten wir gesehen. Aber ich weiß, wie du es dir vorstellst.« Sie lächelte dem Novizen gnädig zu, obwohl er sicherlich zwei oder drei Jahre älter war als sie. »Du denkst an das Phänomen, das die meisten Drachen in der Urzeit ausgelöscht hat«, sagte sie. »Aber du irrst dich. Wir haben in Silberfels etwas darüber gelernt. Darum kann ich dir versichern, dass ein Asteroid, der ins Meer einschlägt, niemals in der Lage wäre, eine solche Verwüstung anzurichten. Der, den du meinst, hat das

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