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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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eine Hand, und die Kugeln, die man einzeln in den Lauf schob, waren nicht größer als eine durchschnittliche Schnecke. Eine tödliche Waffe, wenn man sie jemandem direkt an die Stirn hält oder über eine verhältnismäßig geringe Distanz genau zielt, aber ein lächerliches Spielzeug im Vergleich zu den Kugelschleudern und Flammenwerfern.
    Aber eigentlich braucht es kein großes Geschoss, um ein Mana vom Himmel zu holen. Das jedenfalls lernte ich in den nächsten Augenblicken. Es braucht nur jemanden, der etwas von der Technik eines Mana versteht; jemanden, der die schwache Stelle kennt, den bösen, wunden Punkt, an dem selbst eine schneckenhauskleine Kugel horrenden Schaden anzurichten vermag.
    Und jemanden, der verdammt gut zielt.
    Anna stürmte also mit ihrer Kugelpuffer-Fernschauer-Konstruktion auf die Navigationskajüte zu und benutzte mich einfach als Leiter. Das heißt, sie sprang auf mein Knie, das ich, um Halt zu finden, leicht eingeknickt hatte, stieß sich mit einer Hand von meiner Schulter ab und katapultierte sich schwungvoll auf das Dach der zentralen Navigationskajüte, während ich mit einem Schrei auf die Planken des Hauptdecks krachte. Ich zog mich an der stetig zitternden Reling des heftig schwankenden Manis zurück auf die Füße und sah, wie sie sich breitbeinig auf dem verchromten Dach positionierte, was ihr keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten schien. Sie stand ganz ruhig da, streckte die Arme aus und spähte durch die verbliebene Hälfte des Fernschauers, während sich ein neuerlicher Funkenregen aus der Kugelschleuder des Manas weit über ihr ergoss. Eine weitere Widerhakenkugel jagte in leicht schrägem Winkel auf unser Mani zu.
    Und Anna drückte ab.
    Im ersten Moment dachte ich, es sei der Rückschlag ihres Kugelpuffers, der sie vom Dach der Navigationskajüte fegte. Aber als sie mit einem unverhältnismäßig gewaltigem Krachen auf den Planken des Hauptdecks aufschlug, wusste ich, dass es die Widerhakenkugel gewesen sein musste, die sie einfach vom Dach gepustet hatte, wie ein Sturm eine Feder. Ich dachte nicht mehr daran, dass ich sie nicht mochte, sie noch vor wenigen Stunden mein Leben bedroht hatte und Cocha sie so sehr mochte, dass das allein schon Grund genug für mich sein musste, sie zu hassen. Ich glaube, ich dachte überhaupt nichts mehr, sondern folgte nur noch meiner Intuition. Und meine Intuition verlangte von mir, dass ich zu ihr eilte und versuchte, ihr zu helfen.
    Aber ihr war nicht mehr zu helfen – der beste Körpermeister der Welt hätte aus dem, was das Geschoss aus ihrem zierlichen Mädchenleib gemacht hatte, keinen auch nur kurzfristig überlebensfähigen Menschen mehr konstruieren können. Doch ehe ich zu dieser grausamen Erkenntnis gelangte, explodierte das Mana über uns in einem gewaltigen Feuerball.
    Wegen eines fliegenden Schneckenhauses?
    Ja. Wegen eines winzigen Bleigeschosses.
    Anna hatte offenbar genau in die Mündung der Kugelschleuder gezielt. Und sie hatte getroffen. Gleich hinter dem Lauf befindet sich ein kleiner Behälter, der vor jedem Schuss eine winzige Menge schwarzes Knallpulver an den Zünder liefert. Annas winzige Kugel hatte den Behälter hinter dem Lauf durchschlagen. Es war keine brennende Kugel, aber die Reibungsenergie allein hatte ausgereicht, um all das Pulver mit einem Schlag zu entzünden. Es ist um ein Vielfaches explosiver als die Mischung, mit der die Knallfischer arbeiten, und allein die Detonation der Pulvertruhe muss den Frachtraum, der bei einem Kriegsmana ein gefährliches Munitionslager ist, vollständig ausgebrannt haben.
    Vor allem aber hatte die enorme Hitze die Sternensilberkugel überladen. Und die explodierte mit einem gewaltigen Knall und riss den Rest des Manas in Stücke. Trümmerteile und weitere Kugeln hagelten auf uns ein, aber nur zwei der schweren Geschosse trafen das Schiff direkt. Die übrigen wühlten die See auf, jagten eisige, schäumende Wasserfontänen über das Deck, die uns alle von den Füßen rissen. Für einen Moment neigte sich das Mani so stark nach steuerbord, dass ich mehrere Schritte weit über das nasse Deck schlitterte und erst die Reling meine steile Abwärtsfahrt stoppte. Das verzinkte Metall des Geländers schien meine Wirbelsäule in mehrere Teile zu zerbrechen, aber wenigstens blieb ich an Bord.
    Golondrin hatte weniger Glück: Er segelte im hohen Bogen vom Deck, und das Meer erstickte seine Schreie, als es ihn schluckte wie ein gefräßiges Monster. Annas Leiche rutschte über die

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