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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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genau das war es, was nicht nur dieses Gebäude, sondern die ganze Stadt besonders machte. So echt, sympathisch, menschlich, charmant und …
    Mit einem sanften Stoß in die Seite riss Cocha mich aus meinen Gedanken und hielt mich davon ab, die wundervolle Fassade im Stillen mit weiteren Adjektiven zu überhäufen.
    »Das ist Mordi, der Statthalter«, sagte Markannesch, der, wie alle anderen außer mir, längst aus dem Sattel gestiegen war, um den Genannten und die beiden Männer, die mit ihm aus dem Portal getreten waren, zu begrüßen.
    Ich lief rot an, saß ebenfalls ab und verneigte mich, der Etikette gemäß, ohne den Blick zu senken. »Ich bin Jamachita Milano Kantamar die Erste, Tochter des Rah Loro dem Zwölften und der Milano Kantamar der Zweiten von Lijm und Jama«, stellte ich mich vor. »Ich bin gekommen, um euch bei euren Verhandlungen mit meinem Vater mit allen meinen Möglichkeiten zu unterstützen und zusammen mit euch nach einer Lösung zu suchen, die alle Parteien zufriedenstellt.«
    Mordi hob eine Braue. »Gibt’s das auch in verständlich?«, erkundigte er sich spöttisch, aber aus seiner Stimme klang eher Belustigung als Verachtung.
    Anders als aus Kratts, der dolmetschte: »Das ist Chita, und sie will helfen.«
    »Oder zumindest ein bisschen im Weg herumstehen«, ergänzte Mikkoka.
    »Einen unterhaltsamen Haufen Halbwüchsiger hast du uns da mitgebracht, Gormo«, lachte Mordi und wies seine eigenen Krieger an, die unseren auf die Lager außerhalb der Stadtmauer zu verteilen, ehe er uns bedeutete, ihm ins Rathaus zu folgen.
    »Ich freue mich, dass ihr hier seid«, erklärte er weniger amüsiert, während er uns in einen kleinen, aber hübschen Konferenzsaal führte, »denn wir brauchen jede junge, starke Hand. Ich habe schlechte Nachrichten für dich, Gormo. Loros Krieger sind auf dem Weg hierher. Und es sind ziemlich genau so viele, wie wir dachten.«

40
    E s waren rund sechzigtausend Krieger, die über die Landzunge im Nordosten auf Kantorram zuwalzten wie eine metallisch blitzende Lawine. Sowohl aus der gleichen Richtung als auch aus fast allen anderen Himmelsrichtungen bewegten sich außerdem Dutzende leuchtender Punkte auf uns zu: Manas, die eigens zu Kriegszwecken erbaut worden waren und mit einer einzigen Kugel ganze Häuser in Schutt und Asche legen konnten. Und auf dem Meer zählte ich auf Anhieb eine ebenso große Anzahl Kriegsmanis, die bald Tausende von Widerhakenkugeln über die Stadtmauer schleudern und die Schiffe Gormos, die man im Hafen hinter der Mauer für die Schlacht rüstete, spätestens morgen, wenn nicht sogar noch heute Nacht, mit zahllosen Flammenwerfern attackieren würden.
    Wie viel mal zwanzig ist sechzigtausend?
    Dreitausend mal zwanzig, Froh. Und dreitausend, das sind eintausendfünfhundert mal zwanzig. Aber um auf diese eintausendfünfhundert zu kommen, musst du deine zwanzig zunächst fünfundsiebzig Mal aufbringen, und in die Fünfundsiebzig passt die Zwanzig fast vier Mal hinein.
    Darunter kann ich mir etwas vorstellen.
    Gut.
    »Sie werden warten, bis das Heer heran ist«, behauptete Cocha, der neben mir auf den Zinnen stand, während ich spürte, wie meine Knie weich wurden und mein Herz zu rasen begann. Nicht die Handvoll Schiffe, die mein Vater im Norgaler Hafen stationiert hatte, um dem benachbarten Montania Macht und Entschlossenheit zu demonstrieren, waren Krieg. Das hier war der Krieg, und obwohl Mordi uns mit den trockenen Zahlen schon im Rathaus vertraut gemacht hatte, begriff ich erst in diesen Sekunden, in denen ich das gewaltige Heer und all die Manas und Manis mit eigenen Augen sah, dass wir nicht die Spur einer Chance hatten, ihn zu verhindern – geschweige denn zu gewinnen.
    Wer war ich, dass ich mir eingebildet hatte, auch nur das dünnste Fädchen in den Händen zu halten? Wie hatte ich mir einbilden können, bloß die Spur von Einfluss auf dieses gigantische Heer ausüben zu können? Was hatte ich gedacht, hätte ich wenigstens versuchen können?
    Die Wahrheit war, dass ich überhaupt nicht viel über die Einzelheiten nachgedacht hatte, und wenn, dann hatte ich mir ausgemalt, wie irgendein hochrangiger Krieger seinen Truppen voran durch die Felswüste ritt, dem ich tapfer das Symbol in meinem Nacken präsentierte, damit er mich zu seinem Heerführer brachte, der mich sodann anhörte und sich davon überzeugen ließ, meinem Vater den Dienst vorübergehend zu verweigern – zum Wohle aller, wie sich versteht. Dann wäre ihm überhaupt nichts

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