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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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zu können«, grinste Markannesch.
    »Außerdem heißt du immer noch Jamachita, Chita, und wenn du jetzt diskutierst, ist es nur eine Frage der Zeit, bis du eine Nacht mit Kratt am Feuer verbringst«, ermahnte mich Cocha.
    Das war ein Argument, das zog. Ich gab mich also geschlagen und verbrachte die Nachtwache mit Golondrin, der mir ein Währungssystem erläuterte, das ich selbstredend nicht begriff.
    Erst am nächsten Tag merkte ich, dass ich von allen anderen übertölpelt worden war, denn es sollte überhaupt keine weiteren Nachtwachen unter freiem Himmel mehr geben. Als die Sonne wieder aufging, erspähte ich die Konturen einer sehr großen Stadt am Horizont.
    Kantorram. Die Stadt an den Quellen. Wir hatten unser Ziel erreicht. Und wir sollten zu den letzten Menschen gehören, die dieses Pflaster betraten. Aber davon ahnten wir in diesen Stunden noch nichts.
    Viele andere waren bereits in den Tagen und Wochen vor uns an der Ostküste eingetroffen, um die Quellen und die letzte große Stadt Montanias im Falle einer Invasion mit allen Mitt eln und Möglichkeiten zu verteidigen. Kantorram selbst konnt e all die Freiwilligen längst nicht mehr fassen, sodass die Stadtmauer zu drei Seiten hin an ein gewaltiges Feldlager grenzten, in dem Männer und Frauen, Alte und Junge, Arme und noch nicht ganz Verarmte der Stunde harrten, die über das ganze Land entscheiden würde. Außer mir schien niemand mehr daran zu glauben, dass sich das Schlimmste doch noch verhindern ließ, und so hockten Tausende, überwiegend ausgemergelte, nichtsdestotrotz aber entschlossene Menschen vor den einfachen Zelten, die sie am Stadtgraben und den Sternensilberquellen entlang bis vor den Hafen und auch einige hundert Schritte die südöstliche Landzunge hinab errichtet hatten. Dort wiederum hatten sich die eigentlichen Krieger – eine Armee von weniger als zweitausend Mann – eingerichtet. Die einfachen Leute fertigten Berge von Speer- und Pfeilspitzen und Wurfgeschossen für einfache Handschleudern aus all den Steinen, die das Einzige waren, wovon das cyprische Montania mehr als genug hatte. Hier und da brannten Lagerfeuer, und von überall hallten Gesänge und gemeinsam gebrüllte Mantras über die Ebene, die wohl den Zusammenhalt stärken und Mut machen sollten.
    Angesichts so viel geballter Entschlossenheit kam ich aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Niemals, dachte ich, würden sich die Bauern und Händler und Handwerker und sonstigen einfachen Leute unserer eigenen Inselstaaten dazu herablassen, ohne Aussicht auf einen angemessenen Sold – sogar fast ohne Aussicht auf Erfolg! – aufzubrechen, um dem Feind persönlich die Stirn zu bieten. Zwar waren auch viele Paradieslose unter diesen Leuten, Menschen aus Ljim, Jama und den übrigen Ländern also, die eine weite, entbehrungsreiche und gefährliche Reise auf sich genommen hatten, um Kratts Versprechen Gormo gegenüber einzulösen und an seiner Seite zu kämpfen. Aber von den versprochenen zwanzigtausend waren die Rebellen weit entfernt. Die Strategie meines Vaters, das Lager der Abtrünnigen mit ein paar geschickten Zügen in zwei Lager zu spalten, war aufgegangen. Die Destabilisierung der eigenen Gesellschaft, mit der Kratt ihn schon im Vorfeld zu schwächen versucht hatte, war weniger heftig ausgefallen als erhofft, und von denen, die nach wie vor auf Gormos Seite standen, hatten gerade einmal fünf- oder sechstausend den Weg hierher auf sich genommen. Das klingt nach einer ganzen Menge, ist aber für eine Schlacht wie jene, mit der mein Vater drohte, beinahe ein Witz. Ich war ernüchtert und enttäuscht, als ich später mit den Zahlen vertraut gemacht wurde, aber eigentlich hätte ich es wissen müssen.
    Kampfgeist ist nicht unbedingt das, wodurch sich die Menschen in unseren Staaten am ehesten auszeichneten. Tatsächlich war es sogar immer schon so, dass unsere Zahlmeister nur ein einziges Mal mit der Arbeit zu schlampen brauchten, damit mein Vater im nächsten Monat auf hervorragende Krieger verzichten musste, weil ihre Lohnbeutel unvollständig oder unpünktlich abgeliefert worden waren. Dann hatten sie nämlich das Recht, ihm ihre Dienste bis zum nächsten Zahltag zu verweigern, und davon machten viele, die nicht unbedingt höhere Posten anstrebten, nur zu gern Gebrauch.
    Wie hatte Kratt erwarten können, dass sich das gemeine Volk über alle Maßen für sein Land aufopferte, wenn selbst die Moral der ausgebildeten Krieger so sehr zu wünschen übrig ließ?
    Die

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