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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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dem Karrenlenker sitzen müssen, und auch das war recht aufregend gewesen. Zum ersten Mal mitzureiten, war jedoch etwas ganz Besonderes. Ich freute mich so sehr, dass ich all den Kummer, meine Wut und selbst die Verwirrung, in die mein Bruder mich mit seinen Worten gestürzt hatte, für den Moment einfach vergaß.
    Der Karren und die anderen Kinder trennten sich also von uns, zusammen mit vier oder fünf Kriegern, die insbesondere meine Basen schützen sollten. Und ich wartete ungeduldig auf meiner Freiheit, während Sora in Gorros Sattel saß und Moijos der Ankunft des neuen Lehrmeisters meines Bruders auf seinem Langdarm harrte (nein – Moijo war nicht besonders kreativ, und so ein Pferd hat eben einen sehr langen Darm). Denn von ihm war noch immer weit und breit nichts zu sehen.
    Als sich nur noch vereinzelte Grüppchen der Kolonne in Richtung Kirm anschlossen, wurden auch die Krieger, die mit uns reiten sollten, langsam nervös, und ich begann mich zu fragen, ob sich mein Vater überhaupt um einen neuen Lehrmeister für Sora gekümmert hatte. Doch dann trottete irgendwann doch noch ein alter Mann durch das Tor hinter uns, der einen Gaul in fast erbärmlichem Zustand an den Zügeln führte.
    Ein Wächter hielt ihn auf, zog ihn zur Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was der Alte mit verwundertem Blick quittierte. Dann machte er noch einmal kehrt und kam einige Zeit später mit einem anderen, deutlich kräftigerem Pferd zurück, das – im Gegensatz zu dem ersten – vollständig gesattelt und mit einer Schabracke ausgestattet war, die mit dem Wappen meiner Familie bestickt war: ein goldener Kondor unter einer blutroten Sonne. Auch Freiheit, Gorro und Langdarm – nun lach doch nicht immer – waren selbstverständlich mit einer solchen Schabracke versehen.
    Aus mir unerfindlichen Gründen grinste Sora schon wieder, und bei diesem zweiten Versuch ließen die Wächter den neuen Lehrmeister – denn das musste er sein – kommentarlos passieren. Als er uns erreicht hatte, saß er auf, ritt an uns vorbei, kehrte zurück und saß wieder ab.
    »Seid gegrüßt«, krächzte er mit einer Stimme, der die Jahre mächtig zugesetzt hatten. »Mein Name ist Markannesch. Ich bin dein Lehrmeister.«
    Er verneigte sich vor mir. Meine Brauen flutschten verwirrt nach oben, Moijo verzog keine Miene, die Krieger blickten starr in die Richtung, in die wir gleich reiten wollten, und Sora lachte schallend auf und trieb sein Pferd an Markannesch heran.
    »Nein«, verbesserte er ihn und verneigte sich seinerseits knapp. »Du bist meiner. Und wir haben uns auch schon kennengelernt. Ist aber schon ein paar Tage her, mach dir nichts draus. Können wir jetzt aufbrechen? Ich will den Wagen der Götter auf gar keinen Fall versäumen.«
    »Den Wagen der Götter!«, wiederholte Markannesch freudenstrahlend und schwang sich (überraschend behände übrigens) wieder in den Sattel. »Den Wagen der Götter! Auf, auf, ihr Lumpen! Lasst uns den Wagen der Götter erobern!«
    Und damit rammte er seinem Tier die Fersen in die Seiten, sodass es praktisch aus dem Stand losgaloppierte und die beiden Krieger, die zu seinem persönlichen Schutz bereitstanden, redlich Mühe hatten, zu ihm aufzuschließen, ihn zu überholen und auszubremsen, damit er sich nicht zu weit von der Gruppe entfernte.
    Fassungslos starrte ich erst ihm nach und dann meinen Bruder an.
    »Was war das?«, brachte ich ungläubig hervor, nachdem ich meine Kinnlade mittels meiner Finger wieder in die richtige Ausgangsposition gebracht hatte, um überhaupt sprechen zu können.
    »Mein neuer Lehrmeister«, lachte Sora. »Ich sagte doch: Vater hat einen Trottel gefunden, der keinen Lohn verlangt. Und falls er es doch einmal tun sollte: Er muss ihm nur sagen, dass er ihn bereits bezahlt hat, und Markannesch wird es ihm glauben. Er wird denken, dass er es vergessen hat, und sich dafür entschuldigen, dass er danach gefragt hat. Und jetzt komm«, winkte er ab, als ich noch etwas überaus Empörtes von mir geben wollte. »Wir sind wirklich spät dran. Aber in Markanneschs Tempo holen wir die verlorene Zeit bestimmt schnell wieder rein.«

8
    W ährend der letzten Passagen ihrer Geschichte hatte Chita den Himmel der jungen Nacht mit Blicken abgesucht – hoffnungsvoll zunächst, dann verwirrt, und nun vereinnahmte Enttäuschung ihre Züge.
    »Was ist los?«, erkundigte sich Froh besorgt. »Findest du nicht, wonach du suchst?«
    Chita schüttelte den Kopf. »Doch … doch«, antwortete sie

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