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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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kräftig gesiebt. Aber ich habe sämtliche Aufnahmeprüfungen bestanden.“
    „Liebe Güte, dann sitze ich vielleicht mit einem zukünftigen Olivier hier am Tisch?“
    Er lächelte.
    „Nun, ich weiß nicht recht, ob ich gut genug ,auf rührselig’ schalten kann. Aber ich wäre sehr glücklich als zukünftiger Tom Ewell, glaub mir. — Und du--du kümmerst dich auch noch ums Gemeindehaus?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich bereits schon ausgesprochen heroisch, wenn ich mich nachmittags gegen fünf Uhr erfolgreich aus meinem Bett gequält habe--, ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man nebenbei noch weitere Dinge tun kann. — Was hältst du übrigens von Cy Whitney?“
    „Cy?“ Piccolo grinste. „Nun, wenn er nicht gerade auf ’nem Kreuzzug ist, um die Welt zu reformieren, dann ist er ein verdammt netter Kerl. Hat er am Ende auch schon an dir seine Um-krempelkünste probiert?“
    „Ja. Ich war Samstag abend mit ihm im Kino.“
    „Oh?“
    „Ja. Und er hat mich einen Snob geheißen.“
    Piccolo lachte laut.
    „Das ist typisch Cy!“
    „Weil ich“ — Kitty verfolgte jede Regung in seinem Gesicht —,
    „weil ich--hm, er sagte, ich lege zu große Bedeutung auf Herkunft und Adresse.“
    „Und mißt du tatsächlich solchen Dingen zuviel Wert bei?“
    Sie zögerte.
    „Ich weiß nicht. Aber ich mag einfach nicht in der Pearl Street leben.“
    „Ich auch nicht“, gab er offen zu.
    Das hatte sie nicht erwartet. Sie hatte gedacht, er würde geschwind, allzu geschwind, die Antwort parat haben, daß es ganz gleich sei, wo jemand wohne und so weiter. Aber Piccolo hatte seine eigenen Gedanken.
    „Ich glaube“, fuhr er sinnend fort, „wir haben alle irgend etwas, das wir gern verbergen möchten. Mir war es lange Zeit peinlich, der Sohn eines Pfarrers zu sein.“
    „Ja?“
    Er nickte und zerrupfte gedankenverloren seinen Strohhalm. „Es mag verrückt klingen, aber ich konnte nichts dafür. Ich hatte das Gefühl, als trenne die Tätigkeit meines Vaters mich irgendwie von den andern. Das konnte ich nicht vertragen. Ich glaubte immer, ich müsse jedem beweisen, daß ich trotz allem ein richtiger Junge sei. Aber nun bin ich darüber hinweg. Ich habe jetzt erkannt, daß die Güte, die mein Vater vertritt, ihre eigene Tapferkeit verlangt.“
    „Warum würdest du nicht in der Pearl Street wohnen wollen?“
    Das interessierte Kitty brennender als alles andere.
    „Nun, Kitty, es ist höchst simpel“, führte er aus, „ich bin ein ganz fanatischer Anhänger der Freiheit. Ich finde, jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, nach eigenem Sinn zu wählen, wo und wie er leben möchte--in gewissen Grenzen, versteht sich.
    Aber leider ist den Bewohnern der Pearl Street dieses Recht versagt. Diese Pechvögel haben keine Wahl, es bleibt ihnen einfach nichts anderes übrig als dieses Milieu, ob sie es mögen oder nicht. Mit einigen wenigen Ausnahmen.“
    „Wieso?“ drang sie weiter in ihn. „Was meinst du mit den Ausnahmen?“
    „Nun, eine davon ist zum Beispiel Cy. Ist dir klar, daß er mit seinen Kenntnissen woanders zehnmal soviel verdienen könnte oder mehr als in seinem selbstgewählten Wirkungskreis? Ma Barret gehört zur gleichen Sorte. Sie ist nicht etwa arm. Jede Weihnachten stiftet sie 500 Dollar für unsere Kirche, aber niemand kann sie dazu bringen, samt ihren Katzen aus der baufälligen Bretterbude auszuziehen, die sie aus freien Stücken seit Jahr und Tag bewohnt. Sie hat es eben gern so —. Nun, jeder muß so leben, wie er denkt, daß es richtig ist. Aber keinem Menschen sollte diese freie Wahl vorenthalten sein. Es ist das Gefühl, nicht anders zu können, sozusagen vom Schicksal in einer Falle gefangengehalten zu werden, das die Atmosphäre der Pearl Street so deprimierend, so quälend macht. Ich spüre das jedesmal, wenn ich durch eure Straße gehen muß.“
    Kitty holte tief Atem.
    „Sprich weiter“, drängte sie.
    Er lächelte.
    „Mein Vorrat an Theorien ist leider erschöpft. Was kann es sonst noch dazu zu sagen geben?“
    „Ich dachte--ich glaubte, Dean würde mich wie einen heißen Backstein fallen lassen, wenn er erführe...“
    „Dean? Aber nein! Dean ist ein vernünftiger Kerl! Er läßt sich durch so etwas nicht beeinflussen.“
    „Ich habe nicht geahnt, daß du so viel über unsere Straße weißt, und glaubte, du hättest dich zum ersten Mal dorthin verirrt, als ihr mich neulich abholtet.“
    Er schüttelte den Kopf. Sein Gesicht sah ganz anders aus, wenn er nicht,

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