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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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mit Kitty Boscz in Verbindung setzen soll. Es ist sehr dringend und wichtig. Sagen Sie ihm, daß wir ihn brauchen!“
    „Das will ich gern tun“, versicherte die Dame.
    Kitty legte den Hörer auf und starrte den Apparat enttäuscht an. Ihre erste Aufregung schlug nun bereits in helle Panik um. Danny hatte zwar ein paar Schulfreunde, aber niemals würde er einen besuchen, ohne ihr vorher Bescheid zu sagen. Sie kannte ihn durch und durch und wußte, wie verläßlich und verantwortungsbewußt er war. Als sie die Telefonzelle verließ, fühlte sie sich unbeschreiblich einsam. Sie hatte Angst. Wo sollte man anfangen, nach einem fünfzehnjährigen Buben zu suchen, der irgendwo zwischen der Main Street und der Pearl Street verschwunden war? Es gab ja so viele schreckliche Möglichkeiten...
    „Kitty...“ Es war Thomas, der plötzlich hinter ihr stand. „Kitty, Mam sagte, du seist hier. Hast du Danny gefunden, sprich doch, um Himmels willen?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Hast du es im Gemeindehaus versucht?“
    Sie nickte nur, denn ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Thomas’ Mund verkniff sich zu einer schmalen, harten Linie.
    „Der kleine Narr. Er wußte genau, daß er sich jedesmal in Gefahr begab, wenn er dorthin ging. Jeder wußte, daß Pussy Putnam ihm drohte...“
    Sie fragte nicht, was er meinte. Sie war ihm bloß dankbar dafür, daß er jetzt da war.
    „Wir müssen ihn finden“, brachte sie endlich mit zitternden Lippen heraus.
    «Wir werden ihn finden!“ Einen Herzschlag lang schauten sie einander in die Augen und fühlten, daß sie plötzlich wieder Bruder und Schwester geworden waren.
    So begann die Suche. Sie teilten die gleiche Angst, die gleiche Sorge, auch wenn sie nicht darüber sprachen. Gemeinsam schauten sie in Bretterbuden, in Hinterhöfe, in Wassergräben, unter Veranden und in alte Ölbehälter, überall da, wo ein verletzter Junge liegen mochte. Es war fast sieben Uhr, als Cys schäbiger Volkswagen neben den Bahngleisen hielt, die Thomas und Kitty gerade abzusuchen begannen. Cy hupte, und als Kitty den Kopf nach ihm drehte, erkannte sie an seiner Seite Piccolo. Ihr angstvoller Blick ruhte einen Moment lang auf seinem rötlichen Stoppelhaar, seinem an sich unschönen und doch so angenehmen Gesicht, und plötzlich durchfuhr sie das Gefühl: Piccolo ist da, nun wird alles gut! Gleich hinter diesem an sich schon verwunderlichen Gedanken erstaunte sie die Tatsache, daß Piccolo« Anwesenheit ihr soviel Sicherheit zu schenken vermochte.
    Cy stieg aus und rief: „Was tut ihr denn da oben? Ich habe Ihre Nachricht bekommen, Kitty, was ist los?“
    Kitty rutschte die Böschung hinunter. „Wir suchen Danny. Er ist nicht zum Abendessen heimgekommen, Cy, und seine Arbeitsstelle hat er bereits um Viertel nach vier Uhr verlassen.“ Cys und Piccolos Gesichter verdüsterten sich, denn sie verstanden, was das bedeutete. Cy fragte nüchtern: „Haben Sie überall in der Pearl Street nachgeschaut?“
    Sie nickte. „Überall. Niemand will ihn gesehen haben. Thomas geht gerade die Bahngleise ab. Wir dachten--, wir fürchteten
    „Wir helfen euch“, warf Piccolo ein.
    „Zwei Stunden“, rechnete Cy nach, „fast drei...“
    „Ja“, stimmte Kitty zu und hielt krampfhaft ihre Tränen zurück. Thomas hatte sich dem Signalturm zugewandt, und Kitty folgte ihm mit den anderen langsam weiter entlang des Bahndammes.
    Plötzlich richtete Thomas sich auf. „Ich habe etwas gefunden!“ Es war eine rotkarierte Mütze wie die, die Pussy Putnam gehörte.

    „Die hat er heute nachmittag aufgehabt“, erkannte Thomas, „ich weiß es genau, denn ich habe ihn damit gesehen.“
    „Dann werden wir vielleicht hier noch mehr finden“, meinte Cy mit harter Stimme, „überall, wo Pussy Putnam auftaucht,muß man Schlimmes vermuten.“
    Sie verteilten sich und suchten vorsichtig das Brombeergestrüpp ab. Es war Thomas, der ihn zuerst sah. Danny lag unter einem Gewirr von wildem Efeu, und beim ersten Anblick hielt Kitty ihn für tot. Aber dann bewegte er sich, als er ihre Schritte hörte. Er versuchte sich aufzurichten, fiel aber sofort wieder zurück. Sein Gesicht war merkwürdig entstellt und wurde zusehends grünlicher. Es war ein so gräßlicher Anblick, daß Kitty von hellem Entsetzen erfaßt wurde.
    „Danny“, schrie sie auf, „lebst du noch?“
    „Manche Leute stellen die dümmsten Fragen“, versuchte Danny zu scherzen, „ich ruhe mich hier nur ein bißchen aus.“ Kitty sah, daß in seinem blutenden Mund ein

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