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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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verhindern.“
    Kittys Mutter drehte langsam ihren Kopf nach ihm hin und schaute ihn voll an. „Bitte, Mr. Whitney“, sagte sie, „reden Sie nicht so. Danny war begeistert vom Gemeindehaus, und er war ebenso begeistert von Ihnen. Sie versuchten uns allen zu helfen.“
    „Und ich habe Ihnen einen beachtlichen Dienst erwiesen“, bemerkte er sarkastisch.
    „Es hätte auch ohne Sie passieren können“, gab sie sanft zu bedenken, „ohne Sie und ohne das Gemeindehaus. Sie sollten sich keine Sorgen darum machen.“
    „Sie sind sehr großzügig, Mrs. Boscz.“
    „Nein, das bin ich nicht. Ich spreche nur aus, was ich fühle und denke. Sie wollten helfen, und Sie haben geholfen. Niemand sonst hat das Bedürfnis dazu, aber Sie kümmern sich um uns.“
    Thomas drehte sich um. Er hatte an der Tür gestanden und das Wetterleuchten über den dunklen Häusern beobachtet.
    „Solche Dinge geschehen in einer solchen Straße, Mr. Whitney“, sagte er mit harter Stimme, „gewöhnen Sie sich an diese Tatsache, oder vergessen Sie sie.“
    Kitty stand auf und ging zum Fenster hinüber. Die Straßenlaternen brannten bereits; sie wirkten wie Halbedelsteine auf dunklem Samt, wie Lichter, die man durch einen Nebelschleier betrachtet. Im Fensterglas spiegelte sich die kleine Gruppe wider, von der sie ein Teil war, Cy, den Kopf in die Hände gestützt, ihre Mutter, wie sie kerzengerade auf ihrem Stuhl saß, mit einer gewissen Würde, Thomas und schließlich Piccolo, der die drei nachdenklich betrachtete.
    Das waren die Menschen, die ihr heute abend beigestanden hatten. Sie hatten sich ihr fest genug verbunden gefühlt, um für ein paar Stunden ihr eigenes Leben zu vergessen und ihre eigenen Wünsche hintenan zu stellen, um Danny Boscz suchen zu helfen: Mutter und Thomas, Cy und Piccolo.
    Wie merkwürdig, daß es Piccolo war und nicht Dean, dachte sie. Er hätte einen guten Grund gehabt, nicht herzukommen, denn der Drama-Club wartete auf ihn, aber er stand noch immer hier herum und war bereit, weiterzuhelfen. Vielleicht fühlte er die Angst und Einsamkeit der vergangenen drei Stunden mit ihr? Dean---, wäre er gekommen, wenn er gewußt hätte, was los war? Sie bezweifelte es. Alter und Familie spielten dabei keine Rolle. In kindischer Einfalt hatte sie sich bisher eingebildet, daß Leute mit einem bestimmten Hintergrund, mit einer bestimmten Adresse, bestimmten Annehmlichkeiten und Sicherheiten von einem Zauberelixier getrunken hätten, das sie besser machte als ihre Mitmenschen. Sie hatte sich geirrt. Es gab gute und böse, freundliche und rücksichtslose in jeder Straße der Welt. Cy stammte aus einer Arbeitersiedlung in New York, und er war hilfsbereit; Piccolo war in einem der vornehmsten Stadtviertel daheim, und auch er fühlte mit ihr. Sich vom Zahnarzt die Zahnstellung regulieren zu lassen, eine bestimmte Anzahl Klavierstundenzu nehmen und teure Vitaminpillen zu schlucken, war dabei völlig unwichtig. Cy hatte recht behalten; sie war ein Snob gewesen, ein ganz dummer, eingebildeter, überspannter Mensch.
    Dr. Albrams kam langsam die Treppe herunter. Er blieb im Flur stehen und sagte barsch: „Mrs. Boscz, Ihr Junge ist nicht nur hingefallen, wie man mir sagte, und ich glaube, Sie wissen es genau.“
    Thomas kam seiner Mutter zu Hilfe.
    „Wir sind uns alle darüber klar, Dr. Albrams. Wie geht es Danny?“
    Der Doktor zuckte die Achseln. „Er wird sich erholen in einer Woche, spätestens in zehn Tagen. Halten Sie ihn ruhig, Mrs. Boscz, und geben Sie ihm hin und wieder ein Aspirin, wenn die Schmerzen allzu heftig sind. Er wird allerlei durchzustehen haben. Für heute nacht habe ich ihm einstweilen eine Spritze gegeben.“
    Er blieb einen Augenblick an der Tür stehen. „Diese Halbstarken!“ murmelte er. „Mit dem Bezahlen hat es Zeit, Mrs. Boscz.“ Dann klappte die Tür hinter ihm zu.
    „Hast du es gehört, Mam?“ fragte Kitty und sank neben Mutter aufs Sofa, „er hat gesagt, daß Danny sich wieder erholen wird. Er sieht zwar im Augenblick beängstigend aus, aber das macht sich wieder.“
    „Gott sei Dank“, seufzte Mrs. Boscz.
    Thomas schien inzwischen einen Entschluß gefaßt zu haben. Seit einer halben Stunde glich er einem Mann, der gegen seinen Willen mitten im Kampf gefangen worden war. Jetzt hatte er sich durch gerungen.
    „Ich muß noch einmal Weggehen“, sagte er, „ich komme später wieder her. Cy, könnten Sie vielleicht noch ein bißchen bei meiner Mutter bleiben?“
    Cy betrachtete ihn nachdenklich.

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