Das Mädchen aus Mantua
Präzisionsinstrument.
Celestina bezwang ihr Zaudern. Mit den Fingerspitzen spürte sie den Bruchkanten im Schädel des Verletzten nach. Sanft setzte sie das Elevationsgerät so an, dass die Bohrerspitze auf das Zentrum der Fraktur zeigte. Ein letztes tiefes Durchatmen, und sie begann zu drehen. Der Knochen leistete der Metallspitze Widerstand. Celestina erhöhte vorsichtig den Druck, bis sie merkte, dass der Bohrer eindrang. Sie drehte behutsam weiter und hörte sofort auf, als kein Widerstand mehr zu spüren war. Unter keinen Umständen durfte die schützende Hirnhaut durchbohrt werden!
Fragend blickte sie auf. Der Mönch nickte. »Ihr habt es angefangen, nun bringt Ihr es auch zu Ende.«
Celestina machte sich daran, das eingedrückte Knochenstück behutsam nach außen zu heben.
Gleichzeitig tastete sie mit den Fingerspitzen der anderen Hand nach den Umrissen des Bruchs, bis sie spürte, dass das Knochenstück wieder an seiner angestammten Stelle saß. Vorsichtig drehte sie anschließend das Gewinde aus dem Knochen. Dann trat sie zur Seite und ließ seufzend den Atem entweichen.
Frater Silvano strich mit den Fingerspitzen über die Ränder der Fraktur und nickte anerkennend. »Ihr habt gute Arbeit geleistet.« Umgehend machte er sich daran, die Wunde abzupolstern und zu verbinden.
Der Mönch arbeitete sorgfältig, seine Bewegungen waren durchdacht und behutsam. Celestina hatte unterdessen das Gefühl, sich setzen zu müssen. Sie musste mehrmals tief Luft holen, bis das Zittern ihrer Knie aufhörte.
Der Patient bekam von alledem nichts mit. Er lag immer noch in gnädiger Bewusstlosigkeit.
»Ob er das überstehen wird?«, fragte Celestina leise.
Der Mönch betrachtete den Verletzten. »Das weiß Gott allein.«
Eine Woche später, Anfang August
Arcangela drehte sich müßig in den Armen ihres Geliebten herum, bis sie seitlich neben ihm lag. Ihr Atem streifte die Haare auf seiner Brust, die denselben Rotton aufwiesen wie sein Haupthaar. Sacht pustete sie dagegen und freute sich, als die Löckchen auf seiner Brust im Luftzug flatterten und Galeazzo davon eine Gänsehaut bekam.
»Das kitzelt«, sagte er schläfrig.
Sie schmiegte sich an ihn. Ihr Seufzen verklang im gleichförmigen Prasseln des Regens, der gegen die Bretterwände schlug und durch diverse Löcher des Dachs hereintropfte. Es war dampfend schwül in der Hütte, und es roch nach Stall.
Immerhin war es besser, als bei diesem Wetter draußen unter einem Baum zu liegen. Galeazzo hatte auf unerfindlichen Wegen diese alte Schäferhütte aufgetrieben, die kaum mehr war als ein Verschlag, in welchem es zudem fortwährend nach schmutziger Wolle stank.
Sie hatten einige der schlecht gegerbten, an einem Balken aufgehängten Schafsfelle auf einen Haufen gelegt und ein mitgebrachtes Laken darüber ausgebreitet, doch das hielt kaum den Geruch ab. Als sie in der vergangen Woche das erste Mal hier gewesen waren, hatte am Abend sogar Celestina die Nase gerümpft, obwohl sie sonst wenig empfindlich war, was üble Gerüche anging.
Sobald der Regen aufhörte, würden sie wieder nach draußen gehen, schwor sich Arcangela. Dann seufzte sie abermals. Der Regen mochte vergehen, schließlich war es Hochsommer. Doch auch die wärmste Jahreszeit neigte sich irgendwann dem Ende zu. Bald würde es wesentlich häufiger regnen als jetzt. Und es würde kalt werden! Was dann? Auf keinen Fall konnte sie es aushalten, sich mit Galeazzo auch den Winter über in dieser erbärmlichen Klause zu treffen!
Die Kate von Vitale war ebenfalls alt und klapprig, aber dort konnte man wenigstens einheizen, weil es einen Kamin darin gab. Außerdem wollte er in der Stadt eine neue Wohnung beziehen. Er stand bereits mit dem Eigentümer des Hauses in Verhandlung. Zwei Zimmer, mit eigenem Abtritt und einem funkelnagelneuen, breiten Bett, das er mit einer dicken Matratze, Daunendecken und reinweißen Leinenlaken ausstatten wollte. »Dann haben wir ein angemessenes Zuhause, sobald du meine Frau geworden bist.« Sie hatte ihn vertröstet, wie immer, wenn die Rede auf die Ehe kam, aber der Gedanke an das Bett war gar zu verlockend.
Dass sie ausgerechnet jetzt an Vitales Bett denken musste, während sie doch in Galeazzos Armen lag, irritierte sie ungemein. Lieber sollte sie überlegen, wie sie den unbefriedigenden Begleitumständen ihrer Verabredungen abhelfen konnte. Ob sie sich vielleicht doch mit Galeazzo in Vitales Hütte treffen konnte? Zumindest dann, wenn besagte Wohnung beziehbar war, weil
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