Das Mädchen aus Mantua
Ihr nicht doch wieder einmal den Weg hierher auf Euch nehmen möchtet!
Der Patient ist ein Mann von achtunddreißig Jahren. Sein Schädeldach wurde bei einem Unfall gebrochen, eine etwa handtellergroße Impressionsfraktur. Behandelt werden kann diese nur mittels einer Zugtrepanation. Diese soll umgehend vorgenommen werden. Auf Euer wissenschaftliches Interesse vertrauend, warte ich damit bis zur Non.
Euer Euch stets ergebener Frater Silvano.
Er kannte sie gut. Sie befand sich sofort in heller Aufregung. Umgehend packte sie ihre Männerkleidung in den Korb und machte sich auf den Weg.
Es ging bereits auf die Mittagsstunde zu. Die Sonne stand hoch am Himmel, die Luft flirrte vor Hitze. Auf der Piazza dei Signori hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand ein Mann, der sich über eine auf einem Schemel hockende Frau beugte. Sie war in mittleren Jahren und einfach gekleidet. Ihr Gesicht zeigte einen ängstlichen und zugleich hoffnungsvollen Ausdruck. Starr aufgerichtet saß sie da und hatte den Kopf zur Seite gelegt. Der Mann, ein in pompösem spanischem Stil gekleideter Hänfling, der stehend kaum größer war als die sitzende Frau, fuhrwerkte mit einem Skalpell dicht am Haaransatz der Frau herum.
Ein weiterer Mann spazierte zwischen den Schaulustigen herum, ganz in Schwarz und mit einem hohen steifen Hut. Er verteilte Zettel und deklamierte dazu mit lauter Stimme.
Beim Näherkommen hörte Celestina seine marktschreierischen Worte.
»So sehet denn den großartigen Chirurgenmeister Filiberto aus Siena, seines Zeichens Doktor und Okkultist, bewandert darin, den Star zu stechen, Fisteln und Krebs zu heilen, so es ihm möglich ist, sowie auch Hasenscharten zu schneiden, faule Wunden zu säubern, den Harn zu beschauen und Arzneien zu mischen!«
Im Vorbeigehen drückte er Celestina einen der Zettel in die Hand, auf dem diese und noch andere Fähigkeiten seines Meisters schwarz auf weiß für jeden nachzuprüfen waren, der des Lesens kundig war. Die Liste war lang, der Gehilfe mit dem schwarzen Hut fand kaum ein Ende mit dem Aufzählen der Künste des Wanderarztes. Dieser machte sich soeben publikumswirksam daran, der Frau einen Fremdkörper aus dem Schädel zu entfernen.
Ein schlimmer Hirnstein, so verkündete der Gehilfe mit dramatisch erhobener Stimme, sei der Kern allen Übels. Dieser Stein habe die Frau krank gemacht und ihr heftigste Kopfschmerzen, Leibkrämpfe, Furunkel sowie seit Langem anhaltende Trübsal beschert.
Der Gehilfe hielt mit dem Zettelverteilen inne und eilte zur Rechten seines Meisters, der soeben mit ernster Miene zum Schnitt ansetzte. Celestina sah Blut fließen, und die Frau stöhnte laut auf, ebenso wie die gebannt blickenden Zuschauer. Der Gehilfe reichte dem Wunderdoktor ein ominöses Gerät, das dieser der Frau an die Schläfe setzte und begann, an einer Kurbel zu drehen.
Die Frau jammerte laut, der Gehilfe redete ihr gut zu und hielt ihr den Kopf fest. »Gleich ist es vorbei!«, schrie er. »Gleich haben wir den Übeltäter!«
Und wirklich, im nächsten Augenblick nahm sein Meister das Gerät weg, bohrte mit den Fingern in der blutenden Schläfenwunde herum und förderte einen Kiesel zutage. Triumphierend hielt er den Stein hoch und zeigte ihn der Menge.
Erstaunte und beifällige Rufe wurden laut. Hier und da hörte Celestina auch verächtliches Schnauben; zumindest einige der Versammelten rochen den faulen Zauber. Doch diese wenigen Vernünftigen hinderten die Übrigen nicht daran, sich für eine preisgünstige Behandlung anzumelden. Wer von mehreren Leiden befreit werden wollte, musste einen Aufschlag zahlen, doch ab einer bestimmten Anzahl von Krankheiten gab es Rabatt.
Schon nahm der nächste Patient auf dem Schemel Platz, während hinter ihm weitere Behandlungsbedürftige eine Schlange bildeten.
Kopfschüttelnd ging Celestina weiter. Wahrscheinlich war der Wanderchirurg ein recht geübter Starstecher und sicher auch halbwegs erfahren im Behandeln von Wunden, möglicherweise operierte er auch tatsächlich erfolgreich Hasenscharten, doch es lag nahe, dass ihm das nicht genug Ruhm und Bares eintrug. Also hatte er sich auf gewisse Zusatzbehandlungen verlegt, die nicht viel schadeten, aber auch keinem nützten, außer seinem Geldbeutel.
Auf ihrem Weg zum Spital sah Celestina hier und da Plakate des geschäftstüchtigen Filiberto an Hauswänden oder Bäumen hängen. Den gedruckten Lobpreisungen zufolge war er nicht nur ein weltberühmter Chirurg,
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