Das Mädchen aus Mantua
der offenen Schädelfraktur.
Celestina musterte den Bewusstlosen. Er war um die dreißig und so bleich wie die Laken unter ihm. Das gerinnende Blut an seinem Kopf bildete dazu einen erschreckenden Kontrast. »Wie ist das passiert?«, fragte sie.
»Er geriet unter die Hufe eines durchgehenden Pferdes«, sagte der Mönch.
Celestina erschauderte. Ähnliches wäre ihr auch zugestoßen, hätte Timoteo sie nicht unter Einsatz seines eigenen Lebens davor bewahrt.
Ich hätte mich dankbarer zeigen sollen! , durchfuhr es sie.
Der Diener räusperte sich. »Was tut die junge Dame hier?«
»Sie besucht die Kranken im Namen der mildtätigen Stiftung, die das Spital verwaltet«, behauptete Frater Silvano. »Das Wohl aller Patienten, insbesondere der hochstehenden, liegt diesem Gremium sehr am Herzen. Die Dame will sich persönlich im Auftrag des Stiftungsrats überzeugen, dass alles seinen rechten Gang geht und nur das Beste für den Kranken getan wird.«
Der Diener zuckte nur die Achseln, so genau hatte er es wohl auch nicht wissen wollen.
Die Geräte lagen schon für den Eingriff bereit. Celestinas Blick fiel auf den neu aussehenden Elevationsbohrer. Zwischen den drei geschweiften, mit Scharnieren versehenen Metallbeinen, gehalten von seitlichen Schrauben, ragte die lange Mittelschraube empor, deren zugespitztes unteres Gewinde direkt in den Schädelknochen zu versenken war.
Celestina erinnerte sich noch genau, wie stolz Jacopo gewesen war, als er ein ähnliches Exemplar erstanden hatte. Gegenüber herkömmlichen Trepanationsbohrern, so hatte er ihr begeistert erklärt, sei dieses um ein Vielfaches effizienter und ermögliche es zudem, eingedrückte Knochenteile herauszuheben.
Der Mönch schickte den Diener hinaus. Die anstehende Operation sei so diffizil, dass höchste Konzentration vonnöten sei. Schon die kleinste Ablenkung könne zum sofortigen Exitus des Kranken führen. Der Mann hinterfragte es nicht weiter, sondern schien dankbar, sich verdrücken zu können.
»Ich habe noch nie mit dem neuen Bohrer gearbeitet«, sagte Frater Silvano. »Das Gerät habe ich erst letzten Monat für das Spital gekauft. Ich habe nicht erwartet, das Instrument so rasch zu benötigen.«
»Ich habe Jacopo einmal bei einer Elevation mit einem solchen Gerät zugesehen und mir alles erklären lassen, das ist meine einzige Erfahrung damit.«
»Dann habt Ihr mir etwas voraus. Mir hat der Händler, bei dem ich es erwarb, die Wirkungsweise lediglich kurz beschrieben. Klar ist demzufolge nur eines: Man braucht dafür sehr sensible Finger.« Auffordernd hob er die Brauen.
Celestina blickte ihn ungläubig an. »Ihr wollt, dass ich es mache?«
»Eure Hände sind wesentlich feiner als die meinen.«
»Ich habe noch nie trepaniert, schon gar nicht bei einem Impressionsbruch!«
»Einmal ist immer das erste Mal.«
Celestina schüttelte unwillkürlich den Kopf, doch dann beugte sie sich über den Verletzten, um die Wunde genauer zu betrachten. Sie hatte die Größe eines Daumenballens. Der sie umgebende Bereich war bereits für den Eingriff rasiert. Die Umrisse des Bruchs waren klar erkennbar, man sah deutlich den Teil eines Hufabdrucks und das abgesunkene Knochenstück.
Celestina hatte mit höchster Konzentration zugesehen, wie Jacopo eine ganz ähnliche Verletzung behandelt hatte, und es war ihr nicht allzu schwierig vorgekommen. Doch ihre Angst, bei einem selbst ausgeführten Eingriff zu versagen, war gewaltig. Etwas zu viel Druck, ein Abrutschen des Geräts, und es wäre sofort mit dem Mann vorbei.
Der Mönch betrachtete sie aufmerksam. »Es ist ein Dilemma, nicht wahr?«, meinte er schließlich. »Ihr fürchtet, er könne unter Euren Händen sterben.«
Sie nickte stumm.
»Nun, er stirbt erst recht, wenn man nichts tut«, sagte der Mönch.
Die Gelassenheit, mit der Frater Silvano diese schlichte Tatsache in Worte fasste, half Celestina, ihre Vorbehalte zu überwinden.
Zögernd ergriff sie den Bohrer und machte sich mit seiner Funktionsweise vertraut. Das Gerät war ein wenig kleiner als das ihres verstorbenen Mannes, aber ansonsten ganz ähnlich konstruiert. Der flügelartige Griff am oberen Ende der Bohrschraube fühlte sich klobig unter ihren Fingern an, als sie probeweise daran drehte, doch das Gewinde war sauber geschnitten und ließ sich leicht durch die beiden ringförmigen Halterungen schieben, die es umschlossen. Sie betätigte die seitlichen Stellschrauben; auch sie ließen sich ohne Widerstand bewegen. Ein tadelloses
Weitere Kostenlose Bücher