Das Mädchen aus Mantua
sondern auch Alchimist und Astrologe.
Die behördliche Erlaubnis für seine Auftritte hatte er sich bestimmt einiges kosten lassen, aber nach dem Andrang der Patienten zu urteilen, würde er diese Auslagen schnell wieder hereinholen.
In Gedanken versunken ging sie die letzten Schritte zum Ospedale San Francesco. Jemand kam ihr entgegen, doch sie bemerkte es erst, als es bereits zu spät zum Ausweichen war. Schwester Deodata blieb direkt vor ihr stehen und musterte sie überrascht.
Celestina erstarrte vor Schreck. Sie fühlte sich von den Blicken der Nonne förmlich durchbohrt. Fieberhaft rang sie nach einer Erklärung, etwa Ich bin die Schwester des jungen Steinschneiders, daher die Ähnlichkeit , doch dann merkte sie, dass die Nonne gar keine Anstalten machte, sie anzusprechen.
Am besten war, sich einfach unwissend zu geben.
»Kann ich Euch helfen, Suora ?«, fragte sie höflich.
Bevor die Nonne antworten konnte, nahte Rettung von unerwarteter Seite. Frater Silvano erschien in der offenen Pforte und winkte. »Da seid Ihr ja, Monna Ruzzini! Kommt herein!« Dann tat er so, als bemerkte er jetzt erst die Nonne. »Ah, Schwester Deodata! Ihr seid Monna Ruzzini begegnet, der Schwester unseres jungen Marino da Rapallo. Sie ist die Witwe des Dottore Ruzzini, bei dem ihr Bruder das chirurgische Handwerk lernte. Sie selbst hat sich ebenfalls der Heilkunde verschrieben und möchte im Dienste der Spitalsstiftung nützliche Hilfsdienste leisten.«
Er sah dabei aus, als könne er kein Wässerchen trüben, doch für Celestina klang seine Erklärung so fadenscheinig, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre. Die Nonne musste schon sehr gutgläubig sein, um darauf hereinzufallen.
»Mir war, als würde ich sie bereits kennen«, sagte Deodata. »Muss wohl an der Verwandtschaft liegen.«
Celestina lächelte gezwungen. »Ich sehe meinem Bruder ungewöhnlich ähnlich, wir gleichen einander wie Zwillinge, das sagt jeder.«
Die Nonne hob die Brauen, dann nickte sie scheinbar gleichgültig und ging dann mit einem Achselzucken weiter.
Celestina blickte ihr konsterniert nach, dann wandte sie sich an Frater Silvano. »Hat sie den Schwindel durchschaut?«, fragte sie besorgt.
»Ich glaube nicht«, sagte der Mönch. »Das hätte ich ihr angemerkt. Ich kenne sie gut. Sie kann sich schlecht verstellen.«
Celestinas Zweifel waren nicht ausgeräumt. »Kommt sie nachher zurück? Ich sollte mich heute besser nicht verkleiden. Denn wenn sie mich dann plötzlich als Mann sieht, wird sie sich fragen, wo meine Schwester geblieben ist.«
»Deodata besucht eine Kranke in deren Haus und wird bald zurück sein.« Der Mönch dachte kurz nach. »Ihr habt recht. Heute kleidet Ihr Euch besser nicht um, sondern bleibt so, wie Ihr seid. Der Patient ist ohnehin bewusstlos, ihm kann es gleichgültig sein.« Frater Silvano lächelte beruhigend. »Selbst wenn Schwester Deodata den Braten riechen sollte – sie ist mir treu ergeben und würde nie gegen meine Interessen handeln. Aber Ihr könnt auch einfach wieder gehen, wenn Eure Bedenken überwiegen.« Es klang bedauernd.
Celestina schüttelte den Kopf. »Für heute lasse ich es darauf ankommen.«
Der Mönch lachte. In seine Augen trat ein mutwilliges Funkeln. »Nur wer wagt, gewinnt. Und nun folgt mir. Der Patient wartet.«
Der Verletzte war in einem separaten Zimmer untergebracht, das eigens für betuchte Patienten vorgesehen war. Üblicherweise zogen die begüterten Kranken es vor, zu Hause behandelt und gepflegt zu werden, doch gab es auch Fälle, in denen dies nicht möglich war, etwa bei Reisenden, die während ihres Aufenthalts in der Stadt Verletzungen erlitten.
Bei dem Patienten, den man an diesem Tag ins Spital eingeliefert hatte, handelte es sich um einen Adligen aus Mailand, der auf der Durchreise verunglückt war. Sein Diener hielt neben seinem Bett Wache und machte dabei den Eindruck, lieber woanders zu sein. Er hielt sich ein parfümgetränktes Tuch vor die Nase und blickte angelegentlich zum Fenster. Sein Herr, der reglos im Bett lag, war bis auf ein Tuch um seine Lenden entkleidet. Seine Gewänder waren mit Blut und Kot beschmiert gewesen, berichtete Frater Silvano; man hatte ihm kurzerhand alles vom Leib geschnitten, weil man nicht wusste, welche Verletzungen er – abgesehen von dem Loch im Kopf – sonst noch davongetragen hatte. Man fand einen einfachen Armbruch, der bereits geschient war und rasch heilen würde. Vorausgesetzt, der Verwundete überlebte die Behandlung
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