Das Mädchen aus Mantua
Zufrieden nickte er. »Im Lügen seid Ihr ganz miserabel.«
Sie reckte sich. So schnell ließ sie sich nicht ins Bockshorn jagen. »Diesen Unsinn könnt Ihr niemals beweisen, Frater.« Hoheitsvoll wandte sie sich zum Gehen.
»Wer sagt, dass ich es beweisen will?«
Sie verharrte mitten im Schritt. Sehr langsam drehte sie sich wieder zu ihm um. »Wie bitte?«
»Falls Ihr glaubt, ich wolle Euch bei der Obrigkeit anschwärzen – nun, Ihr müsst bereits bemerkt haben, dass mir dergleichen fernliegt. Euch an höherer Stelle dessen zu bezichtigen, was ich Euch gerade unterstellt habe, wäre wohl kaum sinnvoll, da doch hier nur Euer Wort gegen meines stünde. Und ich bin, wenn ich das einmal so sagen darf, nicht sonderlich gut gelitten bei manchen verknöcherten Amtsträgern. Wohingegen Ihr eine Witwe mit liebreizendem Augenaufschlag seid. Und, wie Ihr schon erwähntet, mit ein paar sehr unschuldsvoll wirkenden Sommersprossen.«
Celestina betrachtete den Mönch argwöhnisch. »Was wollt Ihr von mir?« Sofort kam ihr ein naheliegender Verdacht. Ihre Gedanken mussten sich auf ihrem Gesicht widergespiegelt haben, denn der Mönch lachte. »Du liebe Güte, nicht doch! Ihr seid ganz bestimmt eine zauberhafte junge Frau, aber ich bin kein Rüpel, der die Notlage von Damen ausnutzt. Wenngleich ich zugebe, etwas von Euch zu wollen, so ist es doch gewiss nicht das, was Ihr argwöhnt. Vielmehr ist mir soeben eine Idee gekommen, wie wir Eure Interessen sinnfällig mit den meinen verknüpfen können. Wir würden beide davon profitieren.« Er lächelte sie an. »Wollt Ihr mich anhören?«
Celestina fühlte ihr Herz bis zum Hals klopfen. »Ich bin ganz Ohr.«
Eine Wolke von Bierdunst umgab die drei Männer, die nebeneinander gingen und so die Gasse in voller Breite blockierten. Höflich stellte Celestina sich an eine Hauswand und wollte die drei vorbeilassen. Gleich darauf hätte sie allerdings lieber sofort Fersengeld gegeben. Beim Näherkommen erkannte sie Timoteo Caliari. Begleitet wurde er von seinen Kommilitonen, dem rothaarigen Galeazzo da Ponte und dem Engländer William Harvey.
Timoteo blieb stehen und starrte Celestina an. »Sieh an. Wenn das nicht das Bürschlein ist, das ich unlängst am Wickel hatte! Der Bruder von diesem Mädchen aus Mantua!«
Galeazzo hob die Nachtleuchte, die er mit sich führte. Überrascht lachte er auf. »Wirklich. Unfassbar! Was für eine Ähnlichkeit!«
»Und abermals sehr spät unterwegs, der Knabe«, meinte Timoteo mit gedehnter Stimme.
Celestina merkte, wie Blut in ihre Wangen stieg, und rasch senkte sie den Kopf, damit man ihr Gesicht nicht allzu genau sah. Widersprüchliche Empfindungen beherrschten sie, eine eigenartige Mischung aus Ärger, Verlegenheit und dem hilflosen Wunsch, nicht wie ein dummes Kind behandelt zu werden.
Umso mehr Mühe gab sie sich, in tiefer Tonlage zu sprechen. »Ich wollte gerade nach Hause gehen.«
»Das wird auch Zeit, mein Freund«, meinte William gutmütig. Der junge Engländer lächelte sie an. »Für einen Jungspund wie dich ist es recht spät.«
Sein Italienisch war fehlerfrei und gewählt, wenn auch sein Akzent ausgesprochen drollig klang. Ein verbindlicher Ausdruck stand in seinem schmalen, klugen Gesicht. Unter dem Hut quollen helle Locken hervor. Celestina erwiderte sein Lächeln. Sie mochte ihn auf Anhieb. »Ihr habt recht. Ich habe die Zeit vergessen. Gute Nacht, die Herren.« Sie wandte sich ab und wollte davoneilen.
»Warte!«, rief Timoteo gebieterisch.
Celestina erwog einen Moment lang, so zu tun, als hätte sie ihn nicht gehört. Oder einfach davonzurennen, so wie schon einmal. Doch dieses Benehmen war eines vernünftigen und erwachsenen Menschen – vor allem eines Mannes ! – keinesfalls würdig. Widerwillig blieb sie stehen und wandte sich zu ihm um, mit einem raschen Griff ihre Kappe so zurechtrückend, dass ihr Gesicht im Schatten blieb. »Was gibt es?«
»Ich will mit dir reden.« Zu Galeazzo und William sagte er: »Ihr findet euren Weg ja auch allein nach Hause.«
»Ich weiß nicht, ob das klug ist«, äußerte Galeazzo besorgt.
»Er ist ein Bertolucci«, stimmte William ihm zu. »Das kann gefährlich werden, wenn du die Beherrschung verlierst!«
»Ich will mich nur mit ihm unterhalten«, sagte Timoteo. »Oder glaubt ihr etwa, ich würde Hand an so einen winzigen, dürren Wicht legen?«
»Falls du großer, ungeschlachter Ochse nur mit mir reden willst, um mich zu beleidigen, lege ich keinen Wert auf ein Gespräch«, teilte
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