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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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nichts Böses im Schilde!«
    »Da soll mich doch einer«, kam es verdutzt zurück. Von unten wurde mit einer Laterne heraufgeleuchtet, und dahinter war Frater Silvanos erstauntes Gesicht zu sehen. Er stand neben dem leeren Seziertisch auf der Schaufläche des Teatro und blickte zu ihr hoch. Seine Brauen hoben sich, bis sie fast den Haaransatz berührten. »Monna Celestina Ruzzini!«
    Sie versuchte gar nicht erst, sich für ihren Bruder auszugeben. Dieser Mönch hatte ein unbestechliches Auge und würde ihr kein Wort glauben.
    »Ich wollte nichts Schlimmes anstellen«, sagte sie kläglich. »Ich wollte nur …« Sie unterbrach sich, weil ihr auf Anhieb keine plausible und zugleich unverdächtige Erklärung einfiel.
    »Was auch immer«, sagte er. »Ihr kommt auf der Stelle herunter und steht mir Rede und Antwort!«
    Celestina versuchte es mit Ehrlichkeit. »Ich wollte mir einfach nur die Anatomie ansehen«, sagte sie schlicht. »Das Teatro ist noch ganz neu, und man sagt, es sei das erste fest eingebaute anatomische Theater überhaupt. Man hört so viel darüber.«
    »Hm, ein höchst eigentümliches Ziel für einen nächtlichen Ausflug«, bemerkte Frater Silvano. Die Laterne hielt er von sich weg und stemmte die freie Hand in die Hüfte. Im flackernden Kerzenlicht wirkte seine kräftige Gestalt furchteinflößend massiv. War er Celestina bei den beiden vorherigen Begegnungen freundlich und zuvorkommend erschienen, so wurde dieser Eindruck jetzt durch die grimmige Falte zwischen seinen Brauen getrübt. Anscheinend fand er die Lage alles andere als erheiternd. »Sucht Ihr die Gefahr? Ganz abgesehen davon, dass Ihr mit dieser Verkleidung niemanden täuschen könnt, der Euch einmal gesehen hat.«
    »Oh, da wüsste ich jemanden«, sagte sie.
    »Der gewiss nicht genau hingeschaut hat.«
    Als Timoteo auf ihr gelegen hatte, nachdem er sie vor den Hufen des Pferdes gerettet hatte, war es ihr durchaus so vorgekommen, als hätte er ihr genau ins Gesicht gesehen. Das konnte zum Problem werden. Bestimmt würde sie ihm noch häufiger über den Weg laufen, schließlich wollte sie dasselbe studieren wie er. Celestina nagte an ihrer Unterlippe. Sie würde sich etwas ausdenken müssen.
    »Ihr wolltet Euch nicht nur das Teatro ansehen«, stellte der Mönch fest. »Das hättet Ihr nämlich einfacher haben können. Und sogar bei Tage. Unter den Besuchern der öffentlichen Sektionen befinden sich häufiger Frauen.« Argwöhnisch betrachtete er sie. »Warum seid Ihr wirklich hergekommen?«
    »Ich sage es Euch lieber nicht, denn ich weiß nicht, ob Ihr es verstehen könnt.«
    »Ihr wolltet die präparierte Leiche aus der Nähe betrachten.«
    »Woher wisst Ihr das?«, fragte Celestina verdattert.
    »Ihr habt mir von Eurer Neigung zur Medizin erzählt, also ist es der logische Schluss.«
    »Dann ist es nun heraus.« Sie war erleichtert, ohne Ärger davonzukommen. »Es war ein dummer Plan. Ich gehe wohl besser.«
    »Moment noch. Ihr sagtet am Tag Eures Eintreffens, Ihr wünschtet, Ihr wäret ein Mann.« Der Mönch musterte sie abwägend. »Was genau ist der Grund für diesen Wunsch?«
    »Ich … Das hatte ich nur so dahingesagt!«, stotterte Celestina.
    »Um die Leiche zu betrachten, hätte es keiner Männerkleidung bedurft. Warum also die Scharade?«
    Celestina blickte zu Boden, als könnte sie dort eine passende Antwort auf die scharfsinnige Frage finden.
    »Ihr habt einen Plan«, sagte Frater Silvano gedehnt. »Ich sehe es Euch an der Nasenspitze an.«
    »Da sind doch nur Sommersprossen«, platzte sie heraus, als würde das den Verdacht entkräften, den er zweifelsohne geschöpft hatte.
    »Die verbergen nicht, dass Ihr etwas geheim halten wollt.«
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.« Celestina fühlte, wie ihr Gesicht von glühender Hitze überflutet wurde. »Ich gehe jetzt lieber.«
    »Nein. Noch nicht. Ihr sagtet wörtlich: Ich wünschte, ich wäre ein Mann, dann könnte ich  … Dann könntet Ihr was ?« Er hob die Hand, während er die andere an die Stirn legte, als könne er so den Gedanken besser fassen, der ihm gerade kam. »Dann könntet ihr Medizin studieren!« Über die Erkenntnis verblüfft, ließ er die Hand sinken und blickte sie durchdringend an. »Genau das plant Ihr, nicht wahr?«
    Celestina fühlte sich bis auf den Grund ihrer Seele durchschaut. Stumm starrte sie ihn an. Erst nach einem zittrigen Atemzug brachte sie die nächsten Worte heraus. »Das ist verrückt. Wie könnt Ihr glauben, dass ich …«
    »Ich kann.«

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