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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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die rötliche Verfärbung ihrer Haut. Sie sah mehr denn je aus wie ein Schwein.
    »Du hast zu viel Galle in dir«, sagte die alte Immaculata. Wie ein ledriger Drache hockte sie neben Marta in einem Lehnstuhl und beobachtete mit scharfen Blicken das Geschehen.
    »Ich glaube eher, es waren die Austern«, meinte Celestina. Sie tränkte ein Tuch mit kaltem Wasser und legte es über das Gesicht ihrer Tante. Diese sprach mit undeutlicher Stimme unter der Kompresse weiter. »Wenn es die Austern gewesen wären, müsste dein Gesicht doch ebenfalls geschwollen sein! Wir haben alle davon gegessen.«
    »Manche Menschen bekommen von bestimmter Nahrung Ausschläge und Schwellungen oder Bauchgrimmen, andere vertragen sie dagegen ausgezeichnet.«
    »Aber ich habe schon häufig Austern gegessen!«
    »Solche Unverträglichkeiten können jederzeit auftreten. Jacopo beispielsweise konnte keine Milch vertragen, er bekam davon Leibschmerzen und rote Flecken im Gesicht. Das kam ganz plötzlich, als er schon in seinen Dreißigern war.«
    Unter dem nassen Tuch ertönte entsetztes Keuchen. »Starb er daran, dein armer Gatte?«
    »Nein, er hatte einen Herzanfall, sicher erwähnte meine Mutter das längst in ihren Briefen.«
    Das beruhigte Marta keineswegs. »Vielleicht hing es mit der Milch zusammen. Die könnte aufs Herz durchgeschlagen sein! Das kann mir mit den Austern auch geschehen! Ich werde daran sterben, ganz sicher!« Unterdrückt begann sie zu schluchzen. Das nasse Tuch hüpfte ruckartig im Rhythmus ihres Atems auf und ab.
    Celestina dachte nach. Auszuschließen war es nicht, dass Unverträglichkeiten letztlich zu schlimmeren Erkrankungen führten. Wenn der Säftefluss im Körper erst gestört war, konnte vieles aus dem Gleichgewicht geraten. Trotzdem fand sie, dass ihre Tante sich übermäßig aufregte.
    »Jacopo hat einfach aufgehört, Milch zu trinken. Du hörst auf, Austern zu essen. Die Schwellungen werden zurückgehen, und in ein paar Tagen wirst du nicht mehr daran denken.«
    Lodovico betrat den Salon. »Wie geht es dir?«, fragte er seine Frau.
    »Schrecklich«, kam es erstickt unter dem Tuch hervor.
    »Ich könnte dir einen Kräutertrank brauen«, schlug er vor.
    »Ich habe von dem letzten Trank schon Bauchschmerzen bekommen.«
    »Wenigstens hat er gegen die Migräne geholfen«, sagte Lodovico.
    »Nein, die Bauchschmerzen haben mich bloß davon abgelenkt.« Marta setzte sich stöhnend auf und hielt mit beiden Händen das Tuch vor dem Gesicht fest. »Aber sei’s drum. Ich versuche es. Schlechter kann es mir sowieso nicht mehr gehen.«
    »Gut. Ich bringe ihn dir gleich. Ich gebe viel Honig hinein, dann schmeckt er überhaupt nicht bitter.«
    »Ich wünschte, du würdest mich nicht allein lassen!«, sagte Marta mit Grabesstimme.
    »Ich lasse dich doch nicht allein! Ich gehe nur rasch in den Garten.«
    »Ich meine nicht dich, sondern Celestina!«
    »Von Alleinlassen kann keine Rede sein«, meinte Celestina.
    »Du willst in diesem schmutzigen Hospital arbeiten! Wer weiß, welche Seuchen du uns von dort mit heimbringst!«
    »Ich wasche mich hinterher und kleide mich um.« Celestina griff zu ihrem stärksten Argument. »Außerdem werde ich dort Erfahrungen sammeln, die dir zugutekommen. Je mehr ich lerne, desto besser kann ich dir dabei helfen, gesund zu werden.«
    »Meinst du wirklich?«, kam es zaghaft zurück.
    »Ganz bestimmt.«
    »So viel kannst du in deinem ganzen Leben nicht lernen«, sagte die alte Immaculata mitleidlos.
    »Ich hasse es, wenn du auf meine Kosten Witze machst«, rief Marta jammernd.
    »Ich kümmere mich um den Kräutertrunk«, sagte Lodovico. Pfeifend ging er zur Tür.
    »Hat er gerade gepfiffen?«, fragte Marta unter dem Tuch. »Wie kann er gute Laune haben, während ich sterbe?«
    Nachdem alle Schäden an der Spinnerei besichtigt und festgestellt waren, hatte Alberto Caliari so weit seine Beherrschung zurückgewonnen, dass er mit dem Pächter darüber sprechen konnte, was weiter zu tun sei. Mit dem Wiederaufbau sollte so bald wie möglich begonnen werden, Hieronimo würde sich darum kümmern, dass Holz und Dachschindeln gebracht wurden. Die Pachtzahlungen wurden ausgesetzt und ein Darlehen zum Ersatz der zerstörten Geräte vereinbart. Timoteo hörte mit halbem Ohr der Unterhaltung zu; er merkte, wie schwer es seinem Vater fiel, ruhig zu bleiben. In Alberto Caliaris Stimme schwang unterdrückter Hass mit.
    War er schon immer so gewesen? Timoteo kannte seinen Vater nur so, wie er heute war. Verbittert und

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