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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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zum Jähzorn neigend. Hieronimo war ähnlich veranlagt, wenngleich er nicht ganz so aufbrausend war wie Alberto, was vielleicht aber auch nur daran lag, dass er nicht dazu verdammt war, seine Tage im Rollstuhl zu verbringen.
    Nachdem alles mit dem Pächter abgesprochen war, brachen sie auf, um die Brandschäden auf dem zweiten Hof zu besichtigen. Diese waren zum Glück weit weniger schlimm, es hatte nur ein kleineres Feuer in der Küche gegeben, und das war, wie sich inzwischen herausgestellt hatte, nicht auf Brandstiftung, sondern die Nachlässigkeit einer Tochter des Pächters zurückzuführen. Sie hatte das Herdfeuer aus den Augen gelassen.
    Der Pächter bat Alberto händeringend um Nachsicht und versprach, das Stück vom Strohdach, das durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen worden war, schnellstens auf eigene Kosten zu ersetzen. Alberto nahm es brummig zur Kenntnis. Sein Zorn war fürs Erste verraucht. Allein der Umstand, dass für diesen Schaden definitiv nicht seine Erzfeinde verantwortlich zu machen waren, schien ihn milder zu stimmen.
    Auf der Heimfahrt wurde er müde und nickte ein.
    »Es wird in letzter Zeit alles ein bisschen viel für ihn«, sagte Hieronimo leise und wie zu sich selbst.
    Timoteo antwortete ihm trotzdem. »Ich weiß, was du damit sagen willst«, meinte er.
    Hieronimo wandte sich zu ihm um. »Was denn?«
    »Dass es besser wäre, wenn du die Verwaltung ganz übernimmst.«
    Zu seinem Erstaunen reagierte sein Bruder gereizt. »Wie kannst du das sagen? Vater ist der Herr unserer Güter!«
    »Die du eines Tages ohnehin völlig selbstständig führen wirst. Auf mich kannst du dabei ganz bestimmt nicht zählen.«
    Hieronimo lachte bitter. »Unser Land war in deinen Augen nie viel wert, aber es taugt immerhin dazu, dir dein Studium zu bezahlen.«
    Timoteo atmete durch und meinte mit erzwungener Ruhe: »Das verkenne ich keineswegs, im Gegenteil. Ich bin Vater und dir überaus dankbar dafür, dass ihr mir das Studium ermöglicht.« Bedachtsam fügte er hinzu: »Soweit die Kosten nicht durch das Stipendium abgedeckt sind.« Das war, wie sein Bruder sehr wohl wusste, zum überwiegenden Teil der Fall. »Ich wollte auf etwas anderes hinaus. Wenn ich sage, dass du nicht auf mich zählen kannst, meinte ich damit lediglich, dass ich nicht vorhabe, mich künftig in die Verwaltung der Ländereien einzumischen. Eines Tages wird sowieso alles auf dich übergehen, du bist der Ältere. Und ich muss auch nicht von den Erträgen leben. Als Arzt kann ich auf ausreichende Einkünfte hoffen.« Zögernd fügte er hinzu: »Es kann sein, dass ich nach meiner Promotion weggehe.«
    »Wohin?«, fragte Hieronimo irritiert.
    »Keine Ahnung. Was das betrifft, habe ich keine festen Pläne. Aber mir steht auch nicht unbedingt der Sinn danach, den Rest meines Lebens in Padua zu verbringen. Die Welt ist groß, und Ärzte werden überall gebraucht.«
    »Aber hier ist unsere Heimat!«
    Timoteo hielt den anklagenden Blicken seines Bruders stand. »Hattest du denn nie das Bedürfnis, all das hinter dir zu lassen?«
    »Was, zum Teufel, meinst du?«
    Den Hass, wollte Timoteo sagen. Den Zorn. All das, was unser Leben seit so vielen Jahren vergiftet. Doch er blieb stumm, denn er ahnte, dass sein Bruder, genau wie sein Vater, es nicht als Gift empfand, sondern als Triebfeder. Ihr gesamtes Tun stand unter der Prämisse, sich gegenüber den Bertolucci zu behaupten. Sich niemals von ihnen unterkriegen zu lassen, stark und kampfbereit zu bleiben, um es ihnen zu zeigen, wann immer sich dazu Gelegenheit bot.
    Brodata erwartete sie bereits voller Ungeduld. Sie tischte ihnen frisch gekochte Linsensuppe mit reichlich Bratenfleisch auf und befahl ihnen, den Tisch nicht eher zu verlassen, bis alles verzehrt sei. Timoteo merkte plötzlich, dass er rasenden Hunger hatte. Er ließ sich nach den ersten paar Bissen nicht länger bitten, sondern langte kräftig zu.
    Sein Bruder vertilgte seine Portion ebenfalls mit wachsendem Appetit, während sein Vater nur in seinem Essen herumstocherte und nach kurzer Zeit den Löffel zur Seite legte.
    »Mir ist nicht gut.« Er war bleich. Mit verkniffener Miene blickte er Timoteo an. »Kannst du mir sagen, was mir fehlt? Als angehender Arzt musst du es wissen. Den Sohn des Pächters konntest du ebenfalls heilen. Sogar mit einem einzigen Griff, wie ich hörte. Solltest du nicht auch mir helfen können?«
    Timoteo schmeckte es plötzlich nicht mehr. »Ich weiß nicht, was …«
    »Es ginge mir besser, wenn es den

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