Das Mädchen aus Mantua
Bertolucci schlecht geht.«
»Vater, ich …« Timoteo brach ab.
Hieronimo meldete sich entschlossen zu Wort. »Vater, ich schwöre dir, ich werde eine Gelegenheit finden, diesen feigen Anschlag zu vergelten. Die Bertolucci werden es bald bereuen. Und zwar so, dass es nicht auf uns zurückfällt.«
Brodata mischte sich ein. »Deinem Vater kann für den Moment auch anders geholfen werden. Alberto, du gehörst ins Bett. Alles, was du im Moment brauchst, ist Schlaf.«
Sie duldete keine Widerrede und befahl ihren Neffen, Alberto zu Bett zu bringen, was dieser überraschend duldsam hinnahm. Anschließend verließ Hieronimo das Haus, er wollte wieder aufs Land hinausreiten; Arbeit gab es dort für ihn immer, und er hasste es, tatenlos zu Hause herumzusitzen.
Timoteo war machtlos gegen die Erleichterung, die ihn durchströmte. »Kann ich noch Linsensuppe haben?«
»Meinst du, er hat es ernst gemeint?«, fragte Brodata, während sie ihm die Schale auffüllte.
»Hieronimo?«
Als sie nickte, zuckte Timoteo unbehaglich die Achseln. »Es kam mir nicht so vor, als hätte er es nur so dahingesagt.«
Brodata nickte langsam. »Unlängst hatte ich Mühe, auf dem Marktplatz eine Eskalation zu verhindern, als der unsägliche Guido ihn reizte. Wäre dieses Mädchen aus Mantua nicht dabei gewesen, hätte Gradenigo uns womöglich inzwischen schon verbannt.«
»Ja, sie scheint sich zur Friedensstifterin berufen zu fühlen.« Timoteo schwankte zwischen Ärger und Belustigung und widerstand dem Drang, die Stelle zu berühren, wo der Knüppel ihn getroffen hatte. Rasch tunkte er sein Brot in die Suppe und aß alles auf.
Brodata räumte mit sparsamen Handgriffen die Suppenschalen zusammen und läutete nach der Küchenmagd.
»Ich hasse die Bertolucci, zumindest einige von ihnen, und ohne sie wäre die Welt gewiss nicht ärmer. Doch wir müssen dafür Sorge tragen, dass Hieronimo sich zurückhält. Euer Vater würde den Triumph nicht lange genießen. Eine Verbannung würde er nicht überleben.«
»Das sehe ich wie du, Tante Brodata. Aber was sollen wir tun? Vater kann vom Rollstuhl aus nicht viel anstellen, er ist auf böse Worte beschränkt. Welche jedoch bei Hieronimo auf fruchtbaren Boden fallen.«
»Bei dir nicht?«
»Doch«, bekannte er. »Ich verabscheue die Bertolucci ärger denn je. Aber seit Gradenigo uns die Verbannung angedroht hat, fällt es mir leichter, mich zu beherrschen.« Er lachte. »Ich habe sogar neulich mit diesem Bengel aus Mantua gesprochen, Marino. Ohne Streit anzufangen. Für einen Bertolucci ist er erstaunlich friedfertig.«
»Desgleichen seine Schwester«, meinte Brodata nachdenklich. »Sie hat Eindruck auf Hieronimo gemacht. Er hat ihr auf dem Markt sogar die herabgefallenen Orangen aufgesammelt. Ein niedliches kleines Ding ist sie. Einundzwanzig Jahre erst, wie ich hörte. Und ist sie nicht Witwe?«
»Soweit ich weiß, ja. Wie kommst du jetzt ausgerechnet darauf?«
»Ach, ich weiß nicht …« Sie unterbrach sich und lauschte auf das einsetzende Vormittagsläuten. »Du müsstest schon längst in der Vorlesung sein, oder?«
»Du hast recht.« Timoteo sprang auf. Höchste Zeit, an etwas anderes zu denken als die Bertolucci!
Eine Woche später
Arcangela trug ihr schlichtestes Kleid, als sie das Haus der Bertolucci verließ. Sie achtete stets darauf, nicht mehr Aufmerksamkeit zu erregen als nötig, obwohl es ihr widerstrebte, ihre Reize zu verbergen. Wozu war der Mensch schön, wenn er es nicht zeigen durfte? Dennoch, einen Eklat wie in Mantua konnte sie sich nicht mehr erlauben. Und der Grat, auf dem sie wandelte, war diesmal äußerst schmal, weshalb sie erst recht vorsichtig sein musste. Ihr auffallendes rotes Haar hatte sie sorgfältig unter einer Haube versteckt. Sie hatte einen Henkelkorb dabei, sodass ein neutraler Beobachter kaum etwas anderes von ihr denken konnte, als dass hier eine ordentliche junge Hausfrau unterwegs war, um ihre Einkäufe zu erledigen. Beobachter mit mehr Einsicht mochten vielleicht anderes von ihr denken, doch von dieser Sorte war ihr bisher niemand begegnet außer Gentile Bertolucci. Er fing sie gelegentlich ab, wenn sie ausging, obwohl sie jedes Mal versuchte, unbeobachtet fortzukommen. Dann linste er immer grinsend in ihren Korb, manchmal auch in ihren Ausschnitt, und fragte sie, ob sie wieder Stickgarn besorgen wolle. Sie machte stets gute Miene zum bösen Spiel, weil sie wusste, dass ihr Geheimnis bei ihm sicher war. Einmal hatte sie scherzhaft zurückgefragt,
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