Das Mädchen aus Mantua
hatte er mit Erlaubnis des Professors die Schultergelenke des Schweins einer genauen Untersuchung unterzogen. Celestina hatte den Blick kaum von seinem ernsten, konzentrierten Gesicht wenden können, obwohl ihre Aufmerksamkeit doch eigentlich dem Schwein hätte gelten sollen.
Das Schwein … Auch das noch! Beklommen erinnerte sie sich an den Befehl des Prosektors. Nach der Pflanzenkundevorlesung sprach sie Timoteo darauf an.
»Kannst du mir sagen, wo ich den Gehilfen des Pedells finde? Und … ähm, was er dafür haben will, wenn ich ihn bitte, das Schwein wegzuschaffen?«
»Hat Gianbattista dich dazu verdonnert?«
Sie nickte unglücklich.
»Wenn du willst, übernehme ich das für dich. Dann habe ich einen Gefallen bei dir gut.«
Sie war zu dankbar, um auf die leise warnende Stimme in ihrem Inneren zu hören, die ihr sagte, dass sie sich mit diesem Gefallen womöglich noch Schwierigkeiten einhandeln würde.
»Das wäre wirklich großartig!«, sagte sie erleichtert.
Damit war ihr erster Vorlesungstag zu Ende. Später am Nachmittag sollte noch ein Repetitorium folgen, das der Vertiefung des durchgenommenen Stoffs diente. Bis dahin dauerte es jedoch noch mehrere Stunden, es blieb reichlich Zeit, im Spital die Kleidung zu wechseln, nach Hause zu gehen und sich auszuruhen, bevor sie wieder aufbrach.
Im Innenhof verabschiedete sie sich inmitten einer Schar lärmender Studenten von Timoteo, William und Galeazzo; sie hatten ihr angeboten, mit ihnen gemeinsam in einer Schenke zu Mittag zu essen, doch sie brauchte Zeit, um all die neuen Eindrücke zu verarbeiten.
Mit einem Winken ließ sie die drei jungen Männer stehen und eilte davon.
Timoteo blickte dem Jungen nach. »Der arme Kerl. Er war ganz blass und durcheinander. Das war wohl alles ein bisschen viel für ihn heute.«
»Wir sollten auf ihn achtgeben«, meinte Galeazzo. »Ich glaube, er hat keine Ahnung, was ihm noch blüht. Ein paar der Rüpel, die hier herumlaufen, denken sich bestimmt bereits Scheußlichkeiten für ihn aus, und gewiss werden sie nicht bis nach den Ferien warten, ihn damit heimzusuchen.« Angewidert blickte er auf seine Füße. Nach seiner eigenen Immatrikulation hatten ihn ältere Semester gezwungen, die Schuhe auszuziehen und in ein gewaltiges Fass mit Schlachtabfällen zu steigen. Die widerliche Suppe hatte ihm bis zu den Hüften gereicht. Sie hatten begeistert gegrölt und ihn für seinen Mut und seine Überwindungsgabe gelobt. Gerade, als er zu glauben begann, dass es damit getan sei, hatten sie ihm Stöcke in die Kniekehlen gestoßen und ihn damit zu Fall gebracht. Als er sich endlich prustend und würgend aus dem stinkenden Schleim hervorgekämpft hatte, waren die anderen verschwunden. Dafür stand der Schlachter dort, mit zwei wütenden scharfen Hunden. Bei dem Versuch, ihnen zu entkommen, hatte er einen Biss in die Wade davongetragen. Die Narben taten bei Wetterumschwüngen immer noch weh. Die Schuhe hatte er nie wiedergesehen, dafür aber umso öfter die feixenden Gesichter seiner Kommilitonen, die sich noch lange über den gelungenen Streich amüsiert hatten.
»Ich kümmere mich darum«, sagte Timoteo. Er wusste, was Galeazzo widerfahren war. Zu jener Zeit war er auch schon eingeschrieben gewesen, hatte aber an dem Initiationsritus nicht teilgenommen, er fand solche Sitten weder spaßig noch sonst wie ersprießlich. Den Versuch einiger Studenten, ihn ein paar Wochen nach seiner Immatrikulation gegen seinen Willen ebenfalls einem Aufnahmeritus zu unterziehen, hatte er unterbunden, indem er einem von ihnen mit einem Faustschlag die Nase brach und einem zweiten gegen das Knie trat. Die Übrigen informierte er höflich darüber, dass er zwei Jahre auf dem Schlachtfeld hinter sich hatte, im Kampf mit Schwert und Arkebuse, und dass er für solchen Kinderkram zu alt sei. Danach hatten die Scholaren einen respektvollen Bogen um ihn gemacht.
Dass er seither bei mehreren öffentlichen Schlägereien mitgemacht hatte, hatte seinen Ruf als kompromissloser Kämpfer weiter gefestigt. Allerdings hatte er diesen Auseinandersetzungen kaum ausweichen können, denn meist hatten entweder sein Bruder oder aber Guido Bertolucci sowie dessen Freunde den Streit herausgefordert.
Als William im Vorjahr nach Padua gekommen war, hatte Timoteo den Neuling sofort unter seine Fittiche genommen und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er rüpelhafte Übergriffe auf den Engländer nicht dulden werde.
Für Marino würde er sich ebenso einsetzen,
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