Das Mädchen aus Mantua
Männer zu. Guido ging in der Mitte, die Hand am Degengriff und ein wildes Leuchten im Blick. Nichts an ihm wirkte länger mädchenhaft oder schwächlich. Aus dem hübschen blonden Jüngling war ein hasserfüllter, bewaffneter Angreifer geworden. Timoteo wusste, dass der Kerl gut mit Dolch und Degen umgehen konnte, und er hatte bereits bei anderen Anlässen gesehen, wie schnell er war.
Dennoch war er außerstande, zurückzuweichen. Er würde an diesen drei Burschen vorbeigehen. Und beim geringsten Übergriff würde er sich zu wehren wissen. Nicht mit der Waffe, so unvorsichtig wäre er nicht. Mit den Fäusten wollte er diese Knaben Mores lehren. Ein Wort, eine einzige falsche Bewegung …
Keine Frage, es würde Blut fließen. Das wusste er im selben Augenblick, als er den ersten Schritt tat.
Doch dann geschah das Unerwartete. Hinter ihm ertönte die laute, aufgeregte Stimme von Marino.
»Guido! So ein Zufall! Ich bin gerade auf dem Heimweg! Das trifft sich aber gut! Du kannst mich nach Hause begleiten!«
Timoteo drehte sich unwillkürlich um. Als er sah, wer dort angerannt kam, konnte er nur mit Mühe einen überraschten Ausruf unterdrücken.
O Gott, dachte Celestina. Gerade noch rechtzeitig! Schnaufend und mit wirbelnden Röcken kam sie genau zwischen Guido und Timoteo zum Stehen, mit der einen Hand krampfhaft ihren Korb umklammernd und mit der anderen die flatternde Haube sichernd. Gleich darauf hakte sie sich bei ihrem Cousin ein. An dessen Schwertarm. »Wie schön, dich zu treffen! Nun muss ich nicht allein nach Hause gehen!«
»Was tust du denn hier?«, wollte Guido verblüfft wissen.
»Oh, ich … Du weißt doch, ich war …« Sie hielt inne und wartete einige Augenblicke, bis Timoteo weitergegangen war. »Im Spital, den armen Kranken helfen«, schloss sie, so leise, dass Timoteo es nicht mehr hörte. Dann drehte er sich um und blickte sie über die Schulter hinweg an.
Einen herzklopfenden Moment lang starrte sie ihm in die Augen, doch nichts deutete darauf hin, dass er sie durchschaut hatte. Er wandte sich wieder ab und eilte einfach weiter. Im nächsten Augenblick war er in der benachbarten Gasse verschwunden.
Guidos Freunde sahen sich um die erhoffte zünftige Rauferei gebracht; einer der beiden verzog das Gesicht und murmelte einen Fluch, der andere war immerhin höflich genug, Celestina mit einer Verbeugung zu begrüßen.
»Madonna Ruzzini.«
Sie nickte ihm huldvoll zu. »Guidos Freunde sind auch meine Freunde. Sahen wir uns nicht unlängst beim Kirchgang? Giovanni, stimmt’s?«
»Ganz recht.« Es schien ihn zu freuen, dass sie sich seinen Namen gemerkt hatte. »Und Ihr habt noch einen Bruder, der Euch aus Mantua hierher gefolgt ist und an der Universität Medizin studiert, nicht wahr? Ein Vetter von mir sprach davon, er ist ebenfalls Student. In der Kirche sah ich Euren Bruder jedoch bislang nicht.«
»Oh … äh … er ist kein großer Kirchgänger.«
»Genau genommen ist er dort nie anzutreffen«, warf Guido höhnisch ein. »Schon deshalb nicht, weil Celestina hingeht. In ihrer Begleitung auszugehen ist ihm schlechterdings unmöglich.«
»Wir müssen weiter, Guido«, sagte Celestina. Sie zog ihn einfach mit sich.
»Ein Medizinstudium, was?«, meinte er sarkastisch, zu ihrer Erleichterung allerdings erst, als seine Freunde außer Hörweite waren. »Das also ist der Grund für deine Auftritte in Hosen.«
»Nun weißt du es also«, sagte sie erschöpft. »Und was gedenkst du jetzt zu tun?«
»Vorerst nichts. Ich kann schweigen. Aber alles hat seinen Preis.« Verdrossen fügte er hinzu: »Der Moment deines Auftauchens vorhin war schlecht gewählt.«
»Du meinst, weil du dich nicht mit Timoteo Caliari schlagen konntest? Sei lieber froh, dass du noch heil und in einem Stück neben mir gehst.«
»Ich hätte ihm Saures gegeben!«
»Hängt diese Siegesgewissheit vielleicht damit zusammen, dass ihr zu dritt wart?«
Er besaß den Anstand, rot zu werden. »Ich hätte ihm auch allein beigebracht, die Bertolucci zu fürchten!«
»Ach, Guido. Was hast du eigentlich gegen die Caliari? Hasst du sie nur, weil sie die Bertolucci hassen? Oder gibt es andere Gründe?«
»Sie reden übel über uns«, versetzte er zornig. »Meinen Vater bezichtigen sie des Mordes, meinen Onkel der Trunk- und Spielsucht. Meine Schwester nennen sie eine Hure, meine Mutter eine wehleidige alte Schabracke, die einem Schwein ähnlich sehe.«
»Oh«, sagte Celestina. Sie räusperte sich. »Wer hat deine Schwester als
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