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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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erst recht, da dieser so klein und zart war, dass ihn schon ein Windhauch umpusten konnte. Allein der Gedanke, dass ein paar der ungeschlachten Spaßvögel ihren groben Schabernack mit ihm trieben, weckte Timoteos Zorn. Und einen ganz ungewohnten Beschützerinstinkt. Am liebsten hätte er schon im Voraus jeden verdroschen, der diesem harmlosen Knirps Übles wollte.
    Diese unerwartete Gefühlsaufwallung gegenüber einem männlichen Mitglied der Familie Bertolucci brachte Timoteo für eine Weile zum Grübeln, sodass er um ein Haar vergaß, sich um das Schwein zu kümmern. William, der ein besseres Gedächtnis hatte, erinnerte ihn daran, worauf Galeazzo ihm riet, wie es am besten anzugehen sei. Timoteo scheuchte den Gehilfen des Pedells aus seiner Schreibkammer und erklärte ihm, dass ein tadelloses Schwein in der Anatomie liege, es sei zwar seziert, aber dafür selbstverständlich kostenlos.
    »Der Prosektor hat es mir nach der Sektion überlassen. Leider habe ich keine Zeit, mich damit zu befassen. Am besten holst du es dir, bevor es die anderen tun. Du siehst, heute ist dein Glückstag.«
    »Und du willst nichts dafür haben?«, fragte der Gehilfe des Pedells misstrauisch.
    »Doch. Als Gegenleistung musst du den nächsten toten Hund wegschaffen.«
    »Abgemacht.«
    Timoteo pfiff vor sich hin, als er zurück in den Innenhof kam. Von den leise ziehenden Schmerzen in seinem Bein, die ihn vorhin noch an seine Kriegsverletzung erinnert hatten, spürte er nichts mehr.
    Das Mittagessen nahm er mit seinen Freunden in einer Schenke zu sich. Es bestand aus Bohnen mit Speck und war eher nahrhaft als schmackhaft, doch die Gesellschaft von Galeazzo und William schmeckte ihm besser als die, die zu Hause auf ihn wartete. Sein Bruder war um die Mittagszeit meist draußen auf dem Land, und so blieben nur sein Vater und seine Tante, um mit ihm gemeinsam bei Tisch zu sitzen. Sein Vater hatte meist so üble Laune, dass einem sogar das beste Essen im Hals stecken blieb, und Tante Brodata stand regelmäßig schon vor dem Ende der Mahlzeit auf, angeblich, um in der Küche nach dem Rechten zu sehen, obwohl die Köchin und die Magd alles hervorragend im Griff hatten.
    Timoteo zog es folglich vor, mit seinen Freunden zu essen. Wenn er anschließend heimkam, würde sein Vater Mittagsschlaf halten und Brodata zu Besorgungen unterwegs oder auf ihrem Zimmer sein, sodass er die Zeit bis zum Repetitorium mit etwas Glück allein verbringen konnte.
    Er spülte den leicht ranzigen Nachgeschmack des Specks mit einem ordentlichen Schluck verdünnten Weins herunter.
    Die Schenke war das Stammlokal vieler Studenten, denn die Mahlzeiten waren üppig bemessen, halbwegs genießbar und obendrein billig, sodass auch die weniger betuchten Scholaren hier häufiger zum Verzehr einkehren konnten. Die Schankmädchen waren flink und zum Teil auch leidlich hübsch, was ebenfalls für regen Zulauf der Studenten sorgte.
    Nach dem Essen standen einige von ihnen auf, deren Tracht und Sprache sie als Zyprioten auswies. Als Mitglieder der Ultramarina 5 stellten sie eine eigene Natio.
    Einer der drei holte eine kurze Flöte heraus und stimmte eine fröhliche Melodie an, die beiden anderen sangen und klatschten dazu in die Hände. Es war ein lustiges, leicht zotiges Lied; Timoteo hatte es schon öfter gehört und klopfte den Takt mit. Er war guter Dinge, als er sich schließlich von Galeazzo und William verabschiedete.
    Kaum hatte er den Heimweg angetreten, nahte gewaltiger Ärger in Gestalt von Guido Bertolucci. Er hatte zwei seiner Freunde bei sich, weibische, elegant gekleidete Gecken wie er selbst. Alle drei lächelten maliziös, als sie Timoteo auf sich zukommen sahen. In ihren Blicken funkelte die reine Vorfreude.
    Guido sah sich nach allen Seiten um, als wolle er nachsehen, ob genug Zeugen für den kommenden Streit anwesend seien, um die Aussicht auf eine Verbannung der Caliari zu erhöhen.
    Einen schamvollen Augenblick lang erwog Timoteo, sich der Situation durch sofortige Flucht zu entziehen. Er hätte sich nur auf dem Absatz herumdrehen und so schnell wie möglich davoneilen müssen. Der Umweg über ein oder zwei Gassen würde kaum mehr als eine Minute Zeit kosten.
    Doch er schaffte es nicht. Vernunft war eine Sache – Feigheit vor dem Feind eine andere. Noch nie hatte er vor einem Gegner Reißaus genommen. Niemals würde er sich so weit erniedrigen! Kein Bertolucci sollte je das Recht haben, ihn als Memme zu bezeichnen!
    Entschlossen schritt er auf die drei

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